Höllenflut
sich Harper, »Er ist bestimmt dazu bereit, Leute
abzustellen und den Damm bewachen zu lassen.«
»Ein guter Vorschlag«,'sagte Montaigne. »Ich geh' noch einen
Schritt weiter. General Oskar Olson, mein alter Klassenkamerad
auf West Point, ist Oberbefehlshaber der Nationalgarde von
Louisiana. Wenn ich ihn persönlich drum bitte, schickt er uns
sicher ein paar Abteilungen zur Unterstützung.«
»Die Männer, die zuerst vor Ort sind, sollten die
Sprengladungen suchen und nach Möglichkeit entschärfen«,
sagte Pitt.
»Sie brauchen aber die nötigen Geräte, damit sie die Eisentür
aufschweißen können, die Dirk und ich am Fuß des Dammes
entdeckt haben«, warf Giordino ein. »Wahrscheinlich ist der
Sprengstoff dort gebunkert.«
»Wenn die Bresche breit genug sein soll«, sagte Montaigne,
»muß Qin Shang mindestens einen hundert Meter breiten
Seitentunnel in den Gang gegraben und mit Sprengstoff gefüllt
haben.«
»Ich gehe davon aus, daß Qin Shangs Ingenieure genau
ausgerechnet haben, was nötig ist, um ein riesiges Loch in den
Damm zu reißen«, sagte Pitt mit grimmiger Miene.
»Es tut gut zu wissen«, sagte Sandecker seufzend, »daß wir
Qin Shang endlich mal am Wickel haben.«
»Jetzt müssen wir nur noch herausbekommen, wann der
Drecksack loslegen will«, sagte Giordino.
In diesem Augenblick kam Lieutenant Stowe in die Messe
und reichte Captain Lewis eine weitere Meldung, Mit schmalen
Augen las er sie. Dann blickte er zu Pitt. »Das erklärt meiner
Meinung nach vieles.«
»Falls die Nachricht für mich ist«;, sagte Pitt, »dann lesen Sie
sie bitte laut vor.«
Lewis nickte. »›An Mr. Dirk Pitt, NUMA, an Bord des
Küstenwachenkutters Weehawken. Nehmen Sie bitte zur
Kenntnis, daß der Passagierdampfer United States nicht in New
Orleans angelegt hat. Ich wiederhole: Das Schiff hat nicht in
New Orleans angelegt. Ungeachtet aller Vorbereitungen zu
einem feierlichen Empfang, setzt es seine Fahrt flußaufwärts in
Richtung Baton Rouge fort. Der Kapitän reagiert auf keinerlei
Funksprüche.‹« Lewis blickte auf. »Was halten Sie davon?«
»Qin Shang hatte von Anfang an nicht vor, die United States als Hotel und Spielkasino in New Orleans vor Anker gehen zu
lassen«, erklärte Pitt kurz und trocken. »Er will mit ihr den
Mississippi umleiten. Wenn der dreihundert Meter lange und
fast dreißig Meter hohe Rumpf quer im Mississippi versenkt
wird, ist das Flußbett blockiert, und eine gewaltige Flutwelle
ergießt sich durch den geborstenen Damm in den Atchafalaya.«
»Raffiniert«, murmelte Montaigne. »Und sobald die Flut mit
voller Wucht durchgebrochen ist, gibt es kein Halten mehr.
Nichts auf der Welt könnte sie dann noch aufhalten.«
»General, Sie kennen den Mississippi besser als jeder andere
hier«, sagte Sandecker. »Wie lange dauert es Ihrer Meinung
nach, bis die United States diesen Kanal unterhalb von Baton
Rouge erreicht?«
»Kommt drauf an«, erwiderte der General. »Sie muß langsam
fahren, sonst kommt sie mit ihren gewaltigen Ausmaßen nicht
um die scharfen Biegungen, aber sobald es geradeaus geht, kann
sie volle Fahrt machen. Von New Orleans bis zum MysticKanal, kurz vor der Flußbiegung am Bayou Goula, sind es rund
hundertsechzig Kilometer.«
»Da sie innen völlig ausgeschlachtet ist«, sagte Pitt, »liegt sie
verhältnismäßig hoch, was sie um so schneller macht. Wenn sie
unter Volldampf läuft, kann sie fast achtzig Kilometer pro
Stunde schaffen,«
»Gnade Gott den Lastkähnen oder Vergnügungsdampfern, die
ihr in die Quere kommen«, sagte Giordino.
Montaigne wandte sich an Sandecker, »Sie könnte in drei
Stunden vor Ort sein.«
»Dann dürfen wir keine Minute mehr verlieren. Wir müssen
sofort die Rettungsdienste verständigen und sie auffordern,
Alarm zu schlagen und mit der Evakuierung der Anwohner im
Atchafalaya-Tal zu beginnen«, sagte Lewis mit ernster Miene.
»Kurz vor halb sechs«, sagte Sandecker, nachdem er einen
Blick auf seine Uhr geworfen hatte. »Wir haben noch bis heute
abend um halb neun Zeit, diese Katastrophe zu verhindern.« Er
schwieg einen Moment lang und rieb sich die Augen. »Wenn
wir versagen, werden Hunderte, vielleicht sogar Tausende
unschuldiger Menschen sterben, und ihre Leichen werden auf
Nimmerwiedersehen in den Golf gerissen.«
Pitt und Julia standen noch einen Moment beisammen,
nachdem die Besprechung zu Ende war und alle anderen die
Messe verlassen hatten.
»Kommt mir so vor, als ob wir uns ständig voneinander
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