Höllenflut
verabschieden«, sagte sie. Sie ließ die Arme hängen und legte
die Stirn an Pitts Brust.
»Eine dumme Angewohnheit, die wir unbedingt abstellen
müssen«, sagte er leise.
»Ich wünschte, ich müßte nicht mit Peter nach Washington
zurück. Aber Direktor Monroe hat mich einer
Sonderkommission zugeteilt, die eine Anklage gegen Qin Shang
vorbereiten soll.«
»Sie brauchen dich eben, damit ein Fall daraus wird.«
»Komm bitte bald heim«, flüsterte sie mit feuchten Augen.
Er umarmte sie und drückte sie an sich. »Du kannst in
meinem Hangar wohnen. An meiner Alarmanlage und deinen
Leibwächtern kommt so schnell keiner vorbei. Dort bist du in
Sicherheit, bis ich zurückkomme.«
Trotz aller Tränen warf sie ihm einen schelmischen Blick zu.
»Darf ich deinen Duesenberg fahren?«
Er lachte. »Wann bist du das letztemal mit Gangschaltung
gefahren?«
»Noch nie«, sagte sie lächelnd. »Ich hatte immer Autos mit
automatischem Getriebe.«
»Ich verspreche dir was. Sobald ich zurück bin, nehmen wir
den Duesy und gehen picknicken.«
»Klingt verheißungsvoll.«
Er trat zurück und blickte sie mit seinen leuchtendgrünen
Augen an. »Halte dich wacker, Kleines.«
Dann küßte er sie, und sie lösten sich voneinander und gingen
ihrer Wege, ohne noch einen Blick zurückzuwerfen.
41
Der Nebel, der wie ein durchscheinender Schleier über dem
dunklen Wasser hing, dämpfte sämtliche Laute auf dem Fluß.
Die Reiher und Rallen, die lautlos am Ufer entlangstaksten und
mit ihren langen, spitzen Schnäbeln im Schlick nach Futter
pickten, spürten zuallererst, daß etwas Ungewöhnliches, noch
nie Dagewesenes aus der Nacht nahte. Zunächst war es nur ein
leichtes Beben im Wasser, das jäh anschwoll und in ein lautes
Dröhnen überging, bei dem sich rundum sämtliche Vögel in die
Luft aufschwangen.
Die wenigen Menschen, die nach dem Abendessen auf dem
Uferdamm spazierengingen und die Lichter der vorbeifahrenden
Boote betrachteten, waren zunächst verdutzt, als plötzlich eine
gewaltige Silhouette auf dem Fluß auftauchte. Und dann schälte
sich das riesige Schiff mit dem schnittigen, hochaufragenden
Bug aus dem Dunst. Trotz seiner riesigen Ausmaße pflügte es
scheinbar mühelos flußaufwärts. An der scharfen Flußbiegung
beim Nine Mile Point wühlten die vier Bronzeschrauben trotz
niedrigster Drehzahl das Wasser derart auf, daß die Wogen fast
bis zu den Dammkronen hochschlugen, etliche kleinere Schiffe
zerschlugen, die am Ufer vertäut waren, und ein gutes Dutzend
Menschen in den Fluß rissen. Und sobald die United States wieder auf ein gerades Stück kam, liefen die Maschinen mit
voller Kraft, und sie fuhr mit unglaublicher Geschwindigkeit
flußaufwärts.
Aus dem Ruderhaus drang ein gespenstischer Lichtschein,
doch ansonsten war sie, von einer weißen Lampe am Fuß des
gestutzten Vormastes und den Positionslichtern einmal
abgesehen, in Dunkelheit gehüllt. Niemand zeigte sich an Deck,
lediglich auf der Brücke waren ab und zu schemenhafte
Gestalten zu sehen. Und eh man sich versah, war sie vorbei, wie
ein Dinosaurier, der durch eine seichte Lagune prescht.
Schattengrau ragten die weißen Aufbauten in die Dunkelheit,
und der schwarze Rumpf verschwand in der Nacht. Sie trug
keine Flagge, so daß man sie nur am Namenszug an Bug und
Heck identifizieren konnte.
Kurz bevor sie wieder vom Dunst verschluckt wurde, schien
sich an Bord etwas zu tun. Männer huschten über die Decks,
nahmen ihre Gefechtsposition ein und brachten eine Reihe
tragbarer Raketenwerfer in Stellung. Die Kampftruppen
bereiteten sich auf einen Angriff der amerikanischen
Einsatzkräfte vor. Das hier waren keine gedungenen Söldner
oder Amateurrambos. Es war eine Eliteeinheit, handverlesen,
tollkühn, eigens für diesen Einsatz ausgebildet und zu allem
entschlossen. Sie würden eher Selbstmord begehen oder im
Kampf fallen als sich ergeben. Aber wenn alles nach Plan lief,
würden sie per Hubschrauber ausgeflogen werden, bevor das
Schiff in den Fluten versank.
Kapitän Hungtschang hatte sich an den überraschten und dann
erschrockenen Mienen der zigtausend Menschen geweidet, die
in New Orleans die Ufer des Mississippi gesäumt und auf die
Ankunft der United States gewartet hatten. Nachdem er einen
Raddampfer namens Natchez IX überholt hatte, befahl er volle
Kraft voraus. Lächelnd hatte er zur Stadt zurückgeblickt, als der
große Dampfer einfach weiterfuhr und einen kleinen
Kabinenkreuzer, der ihm in die Quere kam, samt der
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