Höllenflut
Metallreste ortete. Ab und
zu klackte es leise, wenn eine weitere Sonaraufzeichnung aus
dem Drucker lief. Auf den Bildern war nichts zu sehen, nicht
einmal Müll.
»Da unten ist es ja völlig öd und leer«, sagte Julia und rieb
sich die Augen.
»Wohnen möchte man da nicht unbedingt«, sagte Hall
grinsend.
»Beenden Spur zweiundzwanzig«, rief Wilbanks aus.
»Beginnen mit Spur dreiundzwanzig.«
Julia blickte auf ihre Uhr. »Mittagspause«, rief sie und packte
den Picknickkorb aus, den sie in der Pension vorbereitet hatte.
»Hat außer mir noch jemand Hunger?«
»Ich bin immer hungrig«, rief Giordino vom Heck aus.
»Schon erstaunlich.« Pitt schüttelte den Kopf. »Er sitzt fünf
Meter entfernt, unmittelbar neben dem Außenbordmotor, wo
ihm der Wind um die Ohren pfeift, und trotzdem kriegt er es
sofort mit, wenn jemand von Essen spricht.«
»Welch köstliche Speisen erwarten uns denn?« erkundigte
sich Giordino, nachdem er sich bis zur Kajüte geschleppt hatte.
»Äpfel, Müsliriegel, Mohrrüben und kalter Kräutertee. Dazu
Sandwiches wahlweise mit Kichererbsenmus oder mit
Avocadoaufstrich. Ein kerngesundes Essen.«
Die Männer schauten einander entsetzt an, so als würden sie
zum Windelnwechseln in der nächstbesten Entbindungsanstalt
dienstverpflichtet. Nur aus Rücksicht auf Julia verkniffen sie
sich jede Bemerkung - und weil man ihnen von Haus aus
beigebracht hatte, daß man zu Frauen höflich und
zuvorkommend sein müsse. Giordino war derart altmodischer
Benimm fremd. Er maulte lauthals los.
»Kichererbsen und Avocado«, sagte er angewidert. »Ich
glaube, ich stürz' mich vom Boot und schwimme zum
nächstbesten Burger King -«
»Das Magnetometer zeigt was an«, unterbrach ihn Pitt.
»Irgendwas auf dem Sonar zu sehen?«
»Das Sonar hängt ein gutes Stück hinter dem Magnetometer«,
rief Wilbanks. »Meine Aufzeichnungen kommen ein bißchen
später.«
Julia beugte sich über den Drucker und wartete auf das
nächste Bild. Und dann, ganz langsam, zeichneten sich auf dem
Bildschirm und dem Thermopapier Konturen ab.
»Ein Schiff!« rief Julia aufgeregt. »Es ist ein Schiff!«
»Aber nicht das, hinter dem wir her sind«, versetzte Pitt
ungerührt. »Das ist ein alter Segler, der aufrecht am Grund
liegt.«
Wilbanks beugte sich vor und betrachtete das gesunkene
Schiff. »Schaut euch diese Schärfe an. Die Kajüten, die Luken,
der Bugspriet, alles ganz genau zu sehen.«
»Die Masten fehlen«, stellte Hall fest.
»Vermutlich durch den Sturm umgeknickt, in dem es
gesunken ist«, sagte Pitt.
Das Schiff war inzwischen außer Reichweite des Sonars, doch
Hall betätigte ein paar Tasten, holte das Bild auf den Monitor
zurück und zog einzelne Details heraus. »Ganz schön groß«,
sagte er, während er den Rumpf betrachtete. »Gut und gerne
fünfzig Meter lang.«
»Was mag wohl aus der Besatzung geworden sein?« sagte
Julia. »Hoffentlich sind alle gerettet worden.«
»Der Rumpf sieht ziemlich intakt aus«, sagte Wilbanks.
»Dürfte ziemlich schnell gesunken sein.«
Danach konzentrierten sie sich wieder auf die Suche nach der
Princess Dou Wan. Der Wind kam mittlerweile aus Westen und
war so schwach, daß sich die Fahne am Heck kaum bewegte.
Ein Erzfrachter fuhr in etwa hundert Metern Entfernung vorbei
und schaukelte die Diveraty mit seinem Kielwasser tüchtig
durch. Um vier Uhr nachmittags wandte sich Wilbanks an Pitt.
»Noch zwei Stunden bis Sonnenuntergang. Wann wollen wir
die Zelte abbrechen und zum Hafen zurückkehren?«
»Man kann nie wissen, wie das Wetter auf den Seen wird«,
antwortete Pitt. »Ich würde vorschlagen, daß wir das ruhige
Wasser nutzen und solange wie möglich weitersuchen.«
»Der kluge Bauer fährt sein Heu ein, wenn die Sonne
scheint«, pflichtete Hall ihm bei.
Bislang waren alle noch bester Dinge. Pitt hatte Wilbanks
gebeten, zum Zentrum des Suchgebiets vorzudringen und dann
allmählich in Richtung Osten vorzustoßen. Die Sonne stand
bereits tief im Westen, als Pitt wieder Meldung machte.
»Magnetometer schlägt aus«, rief er aus. »Ein starker
Ausschlag.«
»Na komm schon«, sagte Julia aufgeregt.
»Ein Schiff aus diesem Jahrhundert, aus Stahl gebaut«,
bestätigte Hall.
»Wie groß?« fragte Wilbanks.
»Schwer zu sagen. Wir haben es noch nicht ganz im Bild.«
Pitt grinste wie ein Zocker, der soeben die Bank gesprengt
hat. »Ich glaube, wir haben sie.« Er zog die markierte Seekarte
zu Rate. Das Wrack lag drei Meilen näher vor der Küste, als
Gallagher gemeint hatte. Trotzdem eine unglaublich
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