Höllenflut
eine
Ausbuchtung mitten auf dem Deck gebreitet war. Pitt stellte ihn
vor, während Julia ihn umsorgte, ihm aus der Thermoskanne,
die sie in ihrem Picknickkorb hatte, eine Tasse Kaffee
einschenkte und ihm in die Hand drückte.
»Solltest du nicht im Krankenhaus sein?« fragte sie.
»Im Krankenhaus halt' ich's nicht aus«, grummelte Giordino.
»Dort sterben zu viele Leute.«
»Sind jetzt alle an Bord?« erkundigte sich Wilbanks.
»Jedenfalls alle, die dazugehören«, erwiderte Pitt.
»Dann nichts wie los«, sagte Wilbanks grinsend.
Sobald sie aus dem Hafen waren, gab Wilbanks Gas, worauf
die Diveraty den Bug aus dem Wasser hob und mit gut fünfzig
Sachen über den See pflügte. Julia und Giordino saßen am Heck
und genossen den Ausblick, während langsam ein neuer Tag
begann und die Sonne am blauen Firmament aufging, über den
die Wolken hinwegzogen wie eine Herde weißer Büffel. Pitt
reichte Wilbanks unterdessen seine Karte, auf der er
fünfundzwanzig Meilen südöstlich vom Haus der Gallaghers ein
großes X eingezeichnet hatte, das ein etwa fünf mal fünf Meilen
großes Seegebiet markierte. Wilbanks gab die Koordinaten in
seinen Computer ein und wartete, bis die Zahlen auf dem
Monitor erschienen. Hall befaßte sich inzwischen mit den Fotos
und den Beschreibungen der Princess Dou Wan.
Sie meinten, eben erst ausgelaufen zu sein, als Wilbanks den
Motor drosselte und laut ausrief: »Kommen zu Suchstrecke eins,
noch achthundert Meter.« Er las die Angaben von seinen auf
Dezimalsystem geeichten Geräten ab.
Pitt half Hall beim Auslegen des Magnetometers und des
Seitenschallsonars, die beide hinter dem Schiff hergezogen
wurden. Nachdem sie die Kabel ausgebracht hatten, kehrten sie
in die Kajüte zurück.
Wilbanks steuerte das Boot schnurgerade auf der vom
Computer vorgegebenen Linie auf ein am Monitor
aufleuchtendes Gitterraster zu, das eigentliche Suchgebiet.
»Noch vierhundert Meter.«
»Ich komme mir vor wie auf einer Abenteuerreise«, sagte
Julia.
»Da muß ich dich leider enttäuschen.« Pitt lachte. »Diese
Rastersuche nach einem Schiffswrack ist total langweilig. So als
ob du einen riesigen Rasen mähst, immer eine Spur neben der
anderen. So kann das stunden-, wochen- und sogar monatelang
gehen, ohne daß man auch nur das Geringste findet.«
Dann überwachte Pitt das Magnetometer, während Hall sich
um das Sonar kümmerte. Er saß auf einem Stuhl vor einem
Farbmonitor mit hoher Bildauflösung, neben dem ein
Thermoprinter stand, der den Seeboden in 256 unterschiedlichen
Grautönen aufzeichnete.
»Dreihundert Meilen«, rief Wilbanks aus.
»Auf welche Reichweite gehen wir?« fragte Pitt.
»Da wir's mit einem gut hundertfünfzig Meter langen Objekt
zu tun haben, fahren wir Tausendmeterstrecken ab.« Er deutete
auf die Seebodenaufzeichnungen, die aus dem Drucker liefen.
»Der Boden sieht ziemlich eben und gleichmäßig aus. Und da
wir hier in Süßwasser arbeiten, sollten wir ein Objekt von der
Größe eigentlich problemlos finden.«
»Geschwindigkeit?«
»Das Wasser ist ziemlich ruhig. Ich glaube, wir können auf
fünfzehn Sachen gehen und trotzdem alles erkennen.«
»Darf ich zusehen?« fragte Julia, die in der Tür stand.
»Bitte sehr«, sagte Hall und trat einen Schritt zur Seite.
»Da sieht man ja alles«, sagte sie, als sie auf den Bildschirm
schaute. »Man kann jede Riffelung im Sand erkennen.«
»Die Auflösung ist ziemlich gut«, erklärte Hall. »Trotzdem
sind Sonaraufzeichnungen immer unscharf. So als ob man ein
Farbbild drei-, viermal fotokopiert.«
Pitt und Hall grinsten sich an. Jeder, der zum erstenmal in
seinem Leben ein Sonarbild sah, konnte sich nicht mehr davon
losreißen. Julia war keine Ausnahme. Sie wußten, daß sie
stundenlang wie gebannt auf den Bildschirm starren und darauf
warten würde, daß ein Schiffswrack auftauchte.
»Beginnen mit Spur eins«, rief Wilbanks.
»Wie tief ist es hier, Ralph?« fragte Pitt.
Wilbanks warf einen Blick auf das Echolot, das neben dem
Ruder vom Dach herabhing. »Etwa dreißig Meter.«
Giordino, der sich mit solchen Suchaktionen bestens
auskannte, machte es sich auf den Polstern gemütlich und legte
das eingegipste Bein auf die Reling. »Ich mach' jetzt meine
Siesta. Gebt Laut, wenn ihr was entdeckt.«
Langsam verstrichen die Stunden, während die Diveraty mit
rund fünfzehn Stundenkilometern durch die leichte Dünung
pflügte. Das Magnetometer tickte vor sich hin, schlug allenfalls
einmal kurz aus, wenn es irgendwo
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