Höllenflut
keinerlei Widerstand
von seinem Weg abbringen. Ein früherer Präsident hatte den
hochdekorierten Marineoffizier, der dreißig Jahre bei der Navy
gedient hatte, ausgesucht und mit der Leitung der NUMA
beauftragt, als weder eine Bewilligung von seiten des
Kongresses vorlag, noch die geringsten Mittel dafür zur
Verfügung standen. Seither waren fünfzehn Jahre vergangen, in
denen Sandecker manch einem Zeitgenossen auf die Zehen
getreten war und sich zahllose Feinde gemacht hatte. Aber er
hatte eisern sein Ziel verfolgt, und heutzutage wagte kein
Kongreßabgeordneter auch nur vorzuschlagen, daß man ihn
durch einen politisch willfährigen Nachfolger ersetzen sollte. Er
hatte zwar seine Marotten, doch die waren eher harmlos. So
färbte er sich zum Beispiel aus lauter Eitelkeit das flammend
rote Haar und den prächtigen Spitz- und Knebelbart, die
zunehmend von grauen Strähnen durchsetzt waren.
Commander Rudi Gunn, der neben ihm saß, trug einen
zerknitterten Anzug, hatte die Schultern hochgezogen und rieb
sich die Hände. Die Aprilnächte in Washington konnten
unangenehm kühl werden. Gunn hatte die Marineakademie
absolviert und danach auf etlichen U-Booten gedient, bis er
schließlich persönlicher Adjutant des Admirals geworden war.
Als Sandecker den Dienst quittiert hatte, um die NUMA
aufzubauen, hatte Gunn ihn begleitet und war zum
stellvertretenden Direktor ernannt und mit der Leitung
sämtlicher Projekte betraut worden. Er schaute Sandecker durch
seine dicke Hornbrille an, warf einen Blick auf das
Leuchtzifferblatt seiner Uhr und beendete dann das lange
Schweigen.
»Haben Sie eine Ahnung, Admiral, warum der Präsident uns
um ein Uhr morgens zu sprechen wünscht?«
Sandecker riß sich von den vorbeihuschenden Lichtern los
und schüttelte den Kopf. »Keinen Schimmer. Aber Morton
Lairds Tonfall nach zu urteilen, handelt es sich um eine
Einladung, die man nicht ablehnen kann.«
»Soweit ich weiß, gibt's derzeit keine Krise«, murmelte Gunn
mißmutig, »weder innen- noch außenpolitisch, die eine derartige
nächtliche Heimlichtuerei erfordern würde.«
»Mir fällt auch nichts ein.«
»Schläft der Mann denn nie?«
»Drei Stunden, behaupten meine für gewöhnlich
zuverlässigen Quellen im Weißen Haus. Von vier bis sieben Uhr
morgens. Ansonsten kenne ich ihn kaum, im Gegensatz zu
seinen Vorgängern, mit denen ich gut befreundet war. Aber die
saßen vorher lange Jahre im Kongreß, während er aus Oklahoma
kommt, wo er zweimal zum Gouverneur gewählt wurde. Bislang
habe ich noch nicht mit ihm sprechen können. Aber er ist ja
auch noch nicht lange im Amt, erst seit sein Vorgänger einen
Schlaganfall erlitten hat.«
Gunn blickte hinaus in die Dunkelheit. »Sie haben Dean
Cooper Wallace nicht kennengelernt als er noch Vizepräsident
war?«
Sandecker schüttelte den Kopf. »Soweit ich weiß, hat er für
die NUMA nichts übrig.«
Die Limousine bog von der Pennsylvania Avenue in die
Zufahrt zum Weißen Haus, kurvte zwischen den Absperrungen
hindurch und hielt vor dem Nordwesttor. »Wir sind da,
Admiral«, meldete der Fahrer, als er nach hinten kam und die
Tür aufhielt.
Ein Secret-Service-Mann in Uniform überprüfte Sandeckers
und Gunns Ausweis und strich ihre Namen auf einer
Besucherliste aus. Dann wurden sie zu einem Empfangsraum im
Westflügel des Gebäudes geleitet. Die Empfangsdame, eine
attraktive Enddreißigerin mit rotbraunen Haaren, die sie mit
einer altmodischen Schleife gebändigt hatte, stand auf und
lächelte ihnen freundlich entgegen. Auf dem Namensschild auf
ihrem Schreibtisch stand ROBIN CARR.
»Admiral Sandecker, Commander Gunn, ich freue mich sehr,
daß ich Sie kennenlernen darf.«
»Sie arbeiten lange«, sagte Sandecker.
»Glücklicherweise habe ich den gleichen Tagesrhythmus wie
der Präsident.«
»Besteht vielleicht die Möglichkeit, daß wir einen Kaffee
bekommen könnten?« fragte Gunn.
Das Lächeln verging. »Tut mir leid, aber ich fürchte, dafür ist
keine Zeit.« Sie setzte sich wieder hin, griff zum Telefon und
sagte: »Der Admiral ist da.«
Innerhalb von zehn Sekunden tauchte Morton Laird auf, der
Stabschef des Weißen Hauses, der Wilbur Hutton abgelöst hatte,
die rechte Hand des krank darniederliegenden früheren
Präsidenten, und begrüßte sie. »Vielen Dank, daß Sie kommen
konnten, meine Herren, Der Präsident wird darüber sehr erfreut
sein.«
Laird war einer von der alten Schule. Einen Stabschef, der
dreiteilige Anzüge trug und eine
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