Höllenflut
der Decke, und die Kajaks und das
Kanu ruhten in den Ständern an der Wand. Wie benommen
stand er da, als ihm allmählich klar wurde, wie leicht er sich
hatte täuschen lassen. Er hatte auf ganzer Linie versagt. Er hätte
wissen müssen, hätte es sich zumindest denken können, auf
welche Weise der Mann in der Hütte zu entkommen gedachte.
Das alte Motorboot fehlte. Das Chris-Craft, das Kung Chong
aufgefallen war, als er bei der Ankunft des Fremden
höchstpersönlich die Hütte und das Bootshaus durchsucht hatte.
Knapp drei Kilometer entfernt bot sich ein Anblick, bei dem
jedem, der etwas für die technischen Wunderwerke vergangener
Zeiten übrig hatte, das Herz höher geschlagen hätte. Der
herrliche Mahagonirumpf, der achtern in einem einstmals so
genannten Kanuheck auslief, war nach vorn, zum
Maschinenraum hin, der sich zwischen dem vorderen und dem
hinteren Cockpit befand, elegant geschwungen. Trotz der Last
von zwölf Erwachsenen und zwei Kindern, die sich in den
beiden Cockpits drängten, hob sich der Bug unter der Kraft des
125 PS starken Chrysler-Motors aus dem Wasser, so daß links
und rechts hohe Gischtfontänen aufspritzten. Pitt, der den
kleinen chinesischen Jungen auf dem Schoß hatte, saß am Steuer
von Foleys 1933er Chris-Craft und pflügte mit fünfzig
Stundenkilometern den Orion River hinunter in Richtung
Grapevine Bay.
Nachdem er Julia sein Vorhaben erklärt hatte, hatte Pitt
kurzerhand zwei ältere Chinesen abgestellt, die das Benzin aus
dem Wagen abpumpen und damit das Motorboot auftanken
sollten. Da der schwere Chrysler-Motor vermutlich seit Monaten
nicht mehr gelaufen war, hatte er die Batterie des Chris-Craft
aus- und statt dessen seine Autobatterie eingebaut. Mit Julias
Hilfe, die ihm als Dolmetscherin zur Seite stand, wies Pitt die
Erwachsenen an, die Paddel der Kajaks und des Kanus zur Hand
zu nehmen, und zeigte ihnen, wie sie das Boot damit
fortbewegen konnten, ohne dabei allzu großen Lärm zu machen.
Das Unternehmen ging erstaunlich glatt vonstatten, wenn man
bedachte, wie erschöpft gerade die älteren Immigranten waren
und wie mühselig dieses Rudern in der Dunkelheit war.
Plötzlich drehte Pitt sich um und stürmte aus dem Bootshaus.
»Wo wollen Sie hin?« rief Julia.
»Beinah hätte ich meinen besten Freund vergessen«, rief er
zurück und rannte über den Bootssteg in Richtung Hütte. Zwei
Minuten später kehrte er mit einem kleinen, in ein Handtuch
eingeschlagenen Bündel unter dem Arm zurück.
»Ist das etwa Ihr bester Freund?« fragte Julia.
»Ohne ihn gehe ich nie außer Haus«, sagte er.
Dann ging er ohne weitere Erklärung zum Boot und half allen
beim Einsteigen. Als die ausgemergelten, hohläugigen
Immigranten in die beiden engen Cockpits gezwängt waren,
öffnete Pitt die Tür des Bootshauses und gab leise den Befehl
zum Lospaddeln. Sie waren noch keine fünfhundert Meter weit
gekommen, als die völlig erschöpften Chinesen nach und nach
aufgaben. Pitt paddelte weiter im Uferschatten entlang, bis das
Boot von der Strömung des Flusses erfaßt wurde. Erst dann
legte er das Paddel beiseite und holte einen Moment lang Luft.
Sie hatten Glück gehabt; bislang hatte man sie noch nicht
entdeckt. Er wartete, bis sie ein Stück flußabwärts getrieben
waren, wo sie niemand mehr hören konnte, ehe er den Motor
anwarf. Zunächst schaltete er die Zündung an und damit die
Benzinpumpe, die den Doppelvergaser, den Foley des besseren
Wirkungsgrades wegen eingebaut hatte, mit Sprit versorgte.
Dann schickte er ein kurzes Stoßgebet zu den Sternen empor
und drückte den Anlasserknopf am Armaturenbrett.
Mahlend sprang der Achtzylinder-Reihenmotor an, geriet
langsam in Schwung und drehte dann, als das Motoröl
geschmeidiger wurde, allmählich höher. Pitt drückte den
Anlasserknopf etliche Sekunden lang durch, dann ließ er wieder
los. Beim nächsten Versuch sprang ein weiteres Kolbenpaar an,
dann noch eins, bis die Maschine schließlich auf allen acht
Zylindern lief. Er griff zu dem Schalthebel am Boden, legte den
Vorwärtsgang ein und ließ das Boot im Leerlauf dahintreiben.
Nach wie vor keinerlei Geschrei vom Ufer, kein
Suchscheinwerfer, der den See abtastete. Er warf einen Blick zur
Hütte zurück. Er sah gerade noch, wie im Schein der Lampen,
die er angelassen hatte, winzige Gestalten auftauchten und auf
das Haus zurannten.
Die ersten Sonnenstrahlen drangen bereits über die Berge, als
Pitt sich an Julia wandte, die neben ihm saß und
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