Höllenflut
bestand aus schweren Eichenplanken. Starke Eichenbalken
stützten die mit Oberlichtern versehene Decke, die wie die
Wände rundum mit Teakholz getäfelt war. Auf der einen Seite
des Zimmers befanden sich zahlreiche Glasvitrinen, in denen
großformatige Modelle von Schiffen der Qin Shang Maritime
Limited durch Wogen aus bemaltem Gips pflügten. Die
gegenüberliegende Wand zierte eine Sammlung alter
Taucheranzüge mit Bleistiefeln und Messinghelmen. Sie waren
an den Luftschläuchen aufgehängt, so daß sie aussahen, als ob
die einstigen Besitzer immer noch darin steckten. Qin Shang
wartete vor dem Fahrstuhl, bis die Tür aufging, und begrüßte
seinen Besucher, einen gedrungenen Mann mit dichtem grauem
Haar, vorstehenden Augen und schweren Tränensäcken.
Lächelnd trat er einen Schritt vor und schüttelte Qin Shang die
Hand.
»Seien Sie gegrüßt, Qin Shang«, sagte er mit einem knappen
Grinsen.
»Yin Tsang, es ist mir stets eine Ehre, Sie zu empfangen«,
erwiderte Qin Shang freundlich. »Ich hatte Sie nicht vor
nächstem Donnerstag erwartet.«
»Ich hoffe, Sie vergeben mir die Störung«, sagte Yin Tsang,
seines Zeichens Leiter der Kommission für Innere
Angelegenheiten der Volksrepublik China. »Aber ich muß Sie
wegen einer heiklen Angelegenheit dringend persönlich
sprechen.«
»Ihnen, mein alter Freund, stehe ich jederzeit zur Verfügung.
Kommen Sie, nehmen Sie Platz. Möchten Sie eine Tasse Tee?«
Yin Tsang nickte. »Ihre Privatmischung? Nichts wäre mir
lieber.«
Qin Shang rief seine Privatsekretärin und bestellte den Tee.
»Nun denn, welch heikle Angelegenheit führt Sie eine Woche
vor Ihrem angekündigten Besuch nach Hongkong?«
»In Peking sind beunruhigende Nachrichten über Ihr
Unternehmen am Orion Lake im amerikanischen Bundesstaat
Washington eingegangen.«
Qin Shang zuckte unbekümmert die Achseln. »Ja. Ein
unglücklicher Zwischenfall, auf den ich leider keinen Einfluß
hatte.«
»Meine Quellen berichten, daß die amerikanische
Einwanderungsbehörde eine Razzia auf dem Anwesen
durchgeführt hat, auf dem Sie die Einwanderer verwahren.«
»So ist es«, räumte Qin Shang freimütig ein. »Meine besten
Männer wurden getötet und die Wachmannschaften
festgenommen. Es handelte sich um einen Blitzeinsatz, der
völlig unerwartet kam.«
Yin Tsang schaute ihn an. »Wie konnte das geschehen? Ich
kann kaum glauben, daß Sie keine Vorsorge für einen derartigen
Fall getroffen haben. Wurden Sie von Ihren Mittelsmännern in
Washington, D.C., nicht gewarnt?«
Qin Shang schüttelte den Kopf. »Wie ich mittlerweile
erfahren habe, wurde die Razzia nicht in der Zentrale des INS
geplant. Es war ein spontaner Einsatz unter Leitung des
zuständigen Bezirksdirektors, der ohne Rücksprache mit seinen
Vorgesetzten handelte. Keiner meiner Mittelsmänner in der
amerikanischen Regierung konnte mir im voraus eine Warnung
zukommen lassen.«
»Damit sind Ihre sämtlichen Unternehmungen in
Nordamerika gefährdet. Die Amerikaner haben ein Glied in
Ihrer Kette zerschlagen. Und Sie werden mit Sicherheit Spuren
finden, die unmittelbar zu Ihnen führen.«
»Keine Sorge, Yin Tsang«, erwiderte Qin Shang ruhig. »Die
amerikanischen Ermittler haben keinerlei Beweise für eine
Verbindung zwischen mir und diesen Schlepperorganisationen.
Sie mögen mich vielleicht verdächtigen, aber etwas Handfestes
haben sie nicht vorzuweisen. Meine anderen Sammelstellen
entlang der amerikanischen Küste sind nach wie vor in Betrieb
und können jederzeit die ursprünglich für Orion Lake
vorgesehene Fracht aufnehmen.«
»Präsident Lin Loyang und meine Kollegen in den anderen
Kommissionen würden nur zu gerne hören, daß Sie alles im
Griff haben«, sagte Yin Tsang. »Aber ich habe noch immer
Vorbehalte. Sobald die Amerikaner einen Schwachpunkt in
Ihrer Organisation wittern, werden sie Sie gnadenlos verfolgen.«
»Haben Sie Angst?«
»Ich bin besorgt. Es steht zuviel auf dem Spiel, als daß man
jemanden, dem eher an seinem Profit als an den Zielen der
Partei gelegen ist, weiter gewähren lassen dürfte.«
»Was wollen Sie damit andeuten?«
Yin Tsang schaute Qin Shang mit festem Blick an. »Ich werde
Präsident Lin Loyang empfehlen, daß man Ihnen diese
Schleppergeschäfte entzieht und Sie durch jemand anderen
ersetzt.«
»Und was ist mit dem Vertrag, der mir quasi die
Exklusivrechte auf die Beförderung chinesischer Handelsgüter
und Passagiere garantiert?«
»Widerrufen.«
Die erwartete Reaktion blieb aus. Qin
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