Höllenflut
entlang der Küste
verkehrte. Mit diesem alten Rostkübel begründete er sein
Schiffahrtsimperium. Das Frachtgeschäft lief blendend. Zumal
Qin Shangs Konkurrenten im Lauf der nächsten zehn Jahre
offenbar von einer rätselhaften Unglücksserie heimgesucht
wurden. Viele ihrer Schiffe gingen unter geheimnisvollen
Umständen mit Mann und Maus auf See verloren. Und
jedesmal, wenn eine Reederei aufgrund der hohen Verluste in
die roten Zahlen geriet und ihre Flotte samt aller Liegenschaften
abstoßen mußte, fand sich prompt ein Käufer. Es handelte sich
immer um die gleiche Firma, ein in Japan ansässiges
Unternehmen namens Yokohama Ship Sales & Scrap
Corporation, hinter dem niemand anders als die Qin Shang
Maritime Limited steckte.
Bald steuerte Qin Shang einen anderen Kurs als seine
Geschäftsfreunde in Hongkong, die hauptsächlich Verbindungen
mit europäischen Finanzinstituten und westlichen Ex- und
Importeuren eingingen. Er stellte es schlauer an, richtete sein
Hauptaugenmerk auf die Volksrepublik China, versicherte sich
der Freundschaft hoher Regierungsbeamter und bereitete sich
auf den Tag vor, da die britische Kronkolonie Hongkong an
China zurückfallen sollte. So führte er in aller Heimlichkeit
Verhandlungen mit Yin Tsang, dem mit schier
uneingeschränkter Machtfülle ausgestatteten Chef der
Kommission für Innere Angelegenheiten der Volksrepublik, zu
dessen ebenso vielfältigen wie undurchsichtigen Aufgaben unter
anderem die Industrie- und Wissenschaftsspionage sowie das
Einschleusen chinesischer Immigranten in andere Länder zählte,
eine Maßnahme, mit der man dem gewaltigen
Bevölkerungsüberschuß des Landes begegnen wollte. Im
Gegenzug durfte Qin Shang seine Schiffe in der Volksrepublik
registrieren lassen, ohne daß er die dafür üblichen enormen
Gebühren bezahlen mußte.
Die Zusammenarbeit erwies sich als unglaublich einträglich
für Qin Shang. Durch den heimlichen Handel mit illegalen
Einwanderern sowie den ganz legalen Transport von
chinesischen Industrieerzeugnissen und Erdöl flossen über
mehrere Jahre hinweg Hunderte von Millionen Dollar auf die
zahlreichen, gutgetarnten Bankkonten, über die das
Unternehmen weltweit verfügte.
Binnen kurzer Zeit hatte Qin Shang mehr Geld angehäuft, als
er selbst in tausend Lebensjahren ausgeben könnte. Doch er war
fest entschlossen, noch mehr Reichtum und Macht zu erringen.
Das alltägliche, rechtlich einwandfreie Reedereigeschäft verlor
für ihn jeden Reiz, sobald er eine der größten Fracht- und
Passagierschiffflotten der Welt aufgebaut hatte, aber die
heimlichen Aktivitäten seiner Firma lockten ihn nach wie vor.
Er brauchte die Herausforderung und das Risiko, an dem er sich
berauschen konnte wie ein erfahrener Skifahrer an einer
Buckelpiste. Seine Mitverschworenen in der Volksrepublik
hatten keine Ahnung, daß er neben illegalen Ausländern auch
Drogen und Waffen schmuggelte. Es war ein überaus
einträgliches Nebengeschäft, dessen Gewinne er für den Bau
einer einzigartigen Hafenanlage in Louisiana verwendete. Und
außerdem genoß er das Hochgefühl, das sich regelmäßig
einstellte, wenn er wieder einmal alle Beteiligten zu seinem
Vorteil ausgespielt hatte.
Qin Shang war felsenfest von sich überzeugt und geradezu
krankhaft optimistisch. Daß man ihn eines Tages zur
Rechenschaft ziehen könnte, war für ihn undenkbar. Und selbst
wenn es dazu kommen sollte, war er zu reich und zu mächtig,
als daß man ihn vernichten könnte. Er bezahlte bereits enorme
Bestechungsgelder an hohe Regierungsbeamte auf der halben
Welt. Allein in den Vereinigten Staaten standen über hundert
Angestellte in fast allen Bundesbehörden in seinem Lohn. Qin
Shang machte sich keine Sorgen wegen seiner Zukunft, was sie
auch bringen mochte. Aber sicherheitshalber hielt er sich eine
kleine Armee aus Leibwächtern und professionellen Mördern,
die er bei den besten Geheimdiensten in Europa, dem Nahen
Osten und Amerika abgeworben hatte.
Die Stimme seiner Empfangsdame ertönte aus einem kleinen
Lautsprecher auf seinem Schreibtisch. »Sie haben einen
Besucher, der jeden Moment mit Ihrem privaten Fahrstuhl bei
Ihnen eintreffen wird.«
Qin Shang erhob sich von seinem riesigen
Rosenholzschreibtisch, dessen Beine kunstvoll geschnitzte Tiger
darstellten, und ging zum Fahrstuhl an der gegenüberliegenden
Wand des riesigen Raumes. Das Büro wirkte wie eine übergroße
Kapitänskajüte auf einem alten Segelschiff. Der Fußboden
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