Höllenflut
Leck von Hand abdichten«, versetzte Pitt
trocken.
»Und wie genau sollen wir unseren Kreuzzug führen?« fragte
Giordino, während er vorsichtig eine riesige Zigarre aus der
Holzumhüllung schälte und das Ende langsam, ganz langsam,
über der Feuerzeugflamme hin und her drehte.
Sandecker starrte auf die Zigarre. Sein Gesicht lief rot an, als
er feststellte, daß es sich um eine seiner Spezialanfertigungen
handelte. »Am Flughafen in Manila werdet ihr von einem
gewissen John Smith abgeholt -«
»Das hat doch was«, sagte Giordino. »Ich wollte schon immer
mal den Kerl kennenlernen, der sich vor mir im Hotelgästebuch
eingetragen hat.«
Für einen Außenstehenden mochte es den Eindruck erwecken,
als hätten die Männer der NUMA keinerlei Respekt voreinander,
aber um so mehr Vorbehalte. Doch der Schein trog. Pitt und
Giordino verehrten Sandecker, der für sie eine Art Vaterfigur
war. Mehr als einmal hatten sie, ohne zu zögern, ihr Leben
riskiert, um ihn zu retten. Der Schlagabtausch, den sie sich
lieferten, war ein Spiel, das ihnen im Laufe der Jahre in Fleisch
und Blut übergegangen war und an dem sie alle ihren Spaß
hatten. Die Gleichgültigkeit, die Pitt und Giordino zur Schau
stellten, war nur vorgetäuscht. Aber die beiden waren viel zu
rebellisch, als daß sie sich widerstandslos in eine Anweisung
gefügt hätten. Außerdem war es nicht ihre Art, aufzuspringen,
die Hacken zusammenzuschlagen und sich dienstbeflissen auf
die nächste Aufgabe zu stürzen.
»Wir landen also in Manila und warten, bis sich ein gewisser
John Smith bei uns vorstellt«, sagte Pitt. »Ich hoffe doch, daß da
noch ein bißchen mehr dahinter ist?«
»Smith wird euch zum Hafen bringen«, fuhr Sandecker fort.
»Dort begebt ihr euch an Bord eines Küstenfrachters. Ein
ungewöhnliches, geradezu einzigartiges Schiff, wie ihr
feststellen werdet. Wenn ihr den Fuß an Bord setzt, wird die Sea
Dog II, ein Tauchboot der NUMA, bereits an Deck vertäut sein.
Ihr habt die Aufgabe, wenn es denn möglich ist, den Rumpf der United States unterhalb der Wasserlinie zu untersuchen und
abzulichten.«
Pitt schüttelte ungläubig den Kopf. »Wir sollen also um das
Schiff herumkurven und den Rumpf untersuchen? Der ist etwa
dreimal so lang wie ein Fußballplatz. Müßte in rund
achtundvierzig Stunden zu schaffen sein, falls das Boot so lange
tauchen kann. Vorausgesetzt natürlich auch, daß Qin Shangs
Sicherheitsdienst keine Sensoren am Rumpf angebracht hat, um
eine derartige Annäherung zu verhindern.« Er blickte zu
Giordino. »Was meinst du?«
»Ist doch kinderleicht«, ließ sich Giordino vernehmen. »Ich
frag' mich nur, wie ein Tauchboot, das höchstens vier Knoten
läuft, mit einem fünfunddreißig Knoten schnellen Schiff
mithalten soll.«
Sandecker warf Giordino einen langen, säuerlichen Blick zu,
ehe er antwortete. »Ihr führt eure Unterwassererkundung durch,
wenn das Schiff im Hafen liegt. Das versteht sich wohl von
selbst.«
»An welchen Hafen denken Sie dabei?« fragte Pitt.
»Nach Auskunft von CIA-Informanten in Sewastopol ist das
Schiff in Richtung Hongkong unterwegs. Dort soll es endgültig
ausgerüstet und mit der entsprechenden Innenausstattung
versehen werden, bevor es Passagiere an Bord nimmt und auf
Kreuzfahrt zu den großen Hafenstädten in den USA ausläuft.«
»Ist die CIA etwa mit von der Partie?«
»Sämtliche Nachrichtendienste arbeiten dem INS zu, bis wir
die Sache unter Aufbietung aller Kräfte in den Griff bekommen
haben.«
»Dieser Küstenfrachter«, sagte Pitt. »Wem gehört der?«
»Ich weiß, woran Sie denken«, erwiderte Sandecker. »Aber
unsere Nachrichtendienste haben damit nichts zu tun. Das Schiff
befindet sich in Privatbesitz. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht
sagen.«
Giordino stieß eine mächtige blaue Rauchwolke aus und blies
sie zu einem der Fischtanks. »Von Manila bis Hongkong sind es
auf dem Wasserweg gut tausend Meilen. Ein alter
Trampdampfer schafft meines Wissens kaum mehr als acht bis
neun Knoten. Wir sind also fast fünf Tage unterwegs. Können
wir uns soviel Zeit leisten?«
»Von den Philippinen aus wird es keine achtundvierzig
Stunden dauern, bis Sie in Hongkong vor Anker gehen und sich
den Kiel der United States von unten werden ansehen können«,
antwortete Sandecker.
»Das«, erwiderte Giordino, der skeptisch die Augenbrauen
hochgezogen hatte, »könnte spannend werden.«
15
Um elf Uhr abends philippinischer Zeit stiegen Pitt und
Giordino aus der
Weitere Kostenlose Bücher