Höllenflut
Linienmaschine aus Seattle, passierten die
Zollkontrolle und betraten die Haupthalle des Ninoy Aquino
International Airport. Etwas abseits des Menschengedränges
entdeckten sie einen Mann, der ein mit ungelenken Buchstaben
beschriftetes Stück Pappkarton hochhielt. Normalerweise
werden auf diesen Schildern stets die Namen der ankommenden
Fluggäste genannt. Auf diesem aber stand lediglich SMITH.
Es war ein Riesenkerl; er sah aus wie ein ehemaliger
Gewichtheber, der mittlerweile in die Breite gegangen war und
einen mächtigen Bauch angesetzt hatte, der sich wie eine
Wassermelone nach vorne wölbte. Er hing über eine fleckige
Hose herab, die mühsam von einem viel zu kurzen Gürtel
gehalten wurde. Das Gesicht war mit Narben übersät, die von
einem guten Dutzend Schlägereien stammen mußten, und die
große Hakennase war so oft gebrochen, daß die Spitze schräg
nach links wies. Kinn und Wangen waren voller Bartstoppeln.
Die blutunterlaufenen Augen deuteten darauf hin, daß er
entweder zuviel trank oder zuwenig schlief. Die schwarzen
Haare klebten wie eine schmierige Kappe am Schädel, und
zwischen den schiefen gelben Zähnen klafften etliche Lücken.
Auf seinem Kopf thronte eine schmuddelige Seglermütze. »Ich
fress' einen Besen«, murmelte Giordino, »wenn das nicht der
alte Blackbeard persönlich ist.«
Pitt ging zu der verlotterten Gestalt hin und sagte: »Schön,
daß Sie uns abholen, Mr. Smith.«
»Willkommen an Bord«, sagte Smith mit einem freundlichen
Lächeln. »Der Kapitän erwartet euch schon.«
Da sie nur Unterwäsche zum Wechseln, Toilettenartikel sowie
Arbeitshemden und -hosen dabeihatten, die sie sich in einem
Resteladen auf dem Weg zum Flughaften von Seattle besorgt
und kurzerhand in zwei kleine Reisetaschen gestopft hatten,
brauchten sie nicht am Gepäckband zu warten. Sie folgten Smith
aus dem Flughafengebäude auf den Parkplatz. Smith blieb neben
einem Toyota-Kleinbus stehen, der aussah, als wäre er bislang
hauptsächlich bei Rallyes durch den Himalaja eingesetzt
worden. Die Fenster waren größtenteils zerbrochen und
notdürftig mit Sperrholz und Klebeband geflickt. Der Lack war
verblichen und zerschrammt, die Trittbretter waren weggerostet.
Doch Pitt bemerkte auch die erstklassigen, für schweres Gelände
geeigneten Reifen, und er horchte auf, als der starke Motor
losröhrte, sobald Smith den Zündschlüssel umdrehte.
Kaum hatten Pitt und Giordino auf den abgewetzten und
zerschlissenen Vinylsitzen Platz genommen, als der Wagen auch
schon losfuhr. Pitt versetzte seinem Freund einen leichten Stups
mit dem Ellbogen: »Verraten Sie mir eins, Mr. Giordino«, sagte
er so laut, daß es der Fahrer hören konnte. »Stimmt es, daß Sie
ein sehr aufmerksamer Mensch sind?«
»Das bin ich wirklich«, entgegnete Giordino, der sofort
begriff, worauf Pitt hinauswollte. »Mir entgeht nichts. Aber eins
wollen wir nicht vergessen, Mr. Pitt. Auch Sie sind weltweit
berühmt für Ihre Urteilskraft. Wollen Sie Ihre Fähigkeiten unter
Beweis stellen?«
»Das will ich in der Tat.«
»Dann möchte ich Sie zunächst etwas fragen: Was halten Sie
von diesem Gefährt?«
»Ich muß leider sagen, daß es wie eine Requisite aus einem
Hollywoodfilm aussieht, in der sich kein Hippie mit auch nur
einem Funken Selbstachtung erwischen lassen möchte.
Andererseits wiederum ist es mit teuren Reifen bestückt, und der
Motor dürfte um die vierhundert PS leisten. Höchst merkwürdig,
meinen Sie nicht auch?«
»Sehr scharfsinnig, Mr. Pitt. Genau mein Eindruck.«
»Und Sie, Mr. Giordino? Sie besitzen doch so eine
bemerkenswerte Menschenkenntnis. Was halten Sie von
unserem handverlesenen Fahrer?«
»Ein Mann, dem keinerlei List, Tücke und Roßtäuscherei
fremd ist, kurzum, ein Bauernfänger.« Giordino war jetzt in
seinem Element und geriet immer mehr in Fahrt. »Haben Sie
seinen ausladenden Bauch bemerkt?«
»Ein armseliger Kissentrick womöglich?«
»Genau«, rief Giordino, als handle es sich um eine große
Offenbarung. »Dann wären da noch die Narben in seinem
Gesicht und die zerschlagene Nase.«
»Ein schlechter Maskenbildner?« fragte Pitt unschuldig.
»Euch zwei kann man wohl nicht täuschen, was?« Mit finsterer
Miene schaute der Fahrer in den Rückspiegel, aber Giordino war
nicht mehr zu bremsen. »Selbstverständlich ist Ihnen auch das
pomadige Haarteil aufgefallen,«
»Aber gewiß doch.«
»Was halten Sie von seiner Tätowierung?«
»Mit dem Füllfederhalter aufgetragen?« ließ Pitt
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