Höllenherz / Roman
nicht daran, sie nicht zu wählen. Sie gehörte zu ihm. Letzte Nacht war etwas zwischen ihnen geschehen, das so unabwendbar und ursprünglich war wie dieser Kampf.
Sie ist meine Gefährtin.
Lor trat einen Schritt zurück und blickte auf Grash hinab, dessen Blut den Schnee rot färbte. Er ballte die Hände, als wollte er nochmals zuschlagen.
Grash rollte sich auf den Rücken und starrte erbost zu ihm auf. »Zum Teufel mit dir!«
Die Worte klangen zu gedämpft und wenig überzeugend, was Lor einen Hauch von Zufriedenheit bescherte.
Zeit, ein für alle Mal Klarheit zu schaffen.
Er stellte einen Fuß auf Grashs Wange und drückte das Hundegesicht in den Schnee.
»Behandle unsere Jungen mit Respekt, verstanden? Vielleicht willst du mir nachsprechen.«
Samstag, 1. Januar, 16 Uhr
101.5 FM
»Hallo und ein frohes neues Jahr euch allen wünscht Errata Jones! Ich bin heute Nachmittag und die ganze Nacht eure Moderatorin bei unserem Spezialfeiertagsprogramm von CSUP .
Die letzte Nacht war ziemlich was los in Spookytown, und wir haben einige Exklusivberichte für euch. Aber zuerst möchte ich meinem lieben Freund Perry gute Besserung wünschen. Falls du das hier hörst, Freundchen, wieso bist du nicht im Bett und schläfst?
Und ein herzliches auf Wiedersehen an Darak und seinen verrückten Clan, die im Flieger irgendwohin sitzen. Danke, dass ihr vorbeigekommen seid und uns geholfen habt! Ihr habt’s echt drauf, auch wenn ihr uns ein bisschen Angst eingejagt habt.«
Samstag, 1. Januar, 16 Uhr
Die Burg
Talia wachte auf und bemerkte als Erstes, dass das Bett mit Blumen bedeckt war. Es waren die zarten sechsblättrigen Blüten, die sie an dem sternenfunkelnden See gesehen hatte, weiß und rosa und nach warmem Honig duftend. Sie standen symbolisch für die Verjüngung der Burg, ein Geschenk des Lebens, wo zuvor nur Dunkelheit geherrscht hatte.
Lor hatte fortgemusst, ihr aber dieses Zeichen seiner Zuneigung dagelassen. Eine Minute lang blieb sie unter dem Blumenteppich liegen, nahm eine der Blüten auf und drehte sie in ihren Fingern.
Wenn die hier in ewiger Nacht wachsen können, an einem Ort, wo nichts leben sollte, gibt es vielleicht doch noch Hoffnung für mich.
Sie fühlte sich Lor so nahe, als würde sein Herz sie mit Blut versorgen. Das entsprang purer romantischer Phantasie, doch sie gab sich ihr hin, genoss es, zu lieben und geliebt zu werden. All ihre Bedenken wegen des Rudels und ihrer Zukunft waren für diesen Moment verflogen.
Lor hatte eine Nachricht bei Mac hinterlassen, dass Talia ihn bei Osan Mina finden würde. Nachdem sie sich frische Kleidung von Connie geliehen hatte, bedankte sie sich und ging. Eilig lief sie durch die Straßen von Spookytown. Das letzte Mal, als sie das Gebiet der Höllenhunde betreten hatte, war Lor an ihrer Seite gewesen. Nun verhielt sie sich extra vorsichtig und achtete darauf, wer um sie herum war.
Als sie Osan Minas Haus erreichte, war die alte Frau schon an der Tür, bevor Talia klopfte.
Mina war in einen schweren dunklen Mantel gehüllt. »Du bist hier. Gut. Wir gehen jetzt.«
»Wohin?«, fragte Talia, die zurücktrat, damit Mina die Tür hinter sich abschließen konnte.
»Mavritte fordert Lor wegen Herrschen über Rudel.«
Talia erschrak. »Was? Jetzt? Die beiden haben letzte Nacht in einer großen Schlacht gekämpft!«
Mina zog den Mantel fester um ihre hageren Schultern. »Ist es Zeit, er klärt Dinge mit ihr. Wurden die Rudelgeschäfte schon zu lange geschoben.«
»Aber …«
»Lor hat Grash gestraft. Ist Grash Redbone, und Mavritte duldet nicht, dass er schlägt eins von ihren Leuten.« Osan Mina beäugte Talia prüfend. »Musste Grash geprügelt werden wegen Helver.«
Die Namen, die ihr nichts sagten, flogen an Talia vorbei. »Kann Lor sich nicht weigern?«
»Ist Rudelgesetz, dass Alpha kämpft, wenn sie verlangt. Sie verlangt.«
Ja, das glaubte Talia ihr. Sie erinnerte sich an Mavrittes Drohung, Lor zum Kampf zu fordern, als sie im Empire Hotel gewesen waren. Lor schien allerdings sicher, dass er es ablehnen könnte, was sich vielleicht durch die Sache mit diesem Grash geändert hatte.
Mina führte Talia die Straße hinunter zu einem kleinen Spielplatz. Unweigerlich musste Talia an ihre Highschool-Tage denken, als sich die harten Jugendlichen nach der Schule prügelten – und sämtliche Teenager aus einer Meile Umkreis kamen, um zuzugucken. Hier hatten sich die Hunde um den Spielplatz versammelt, waren jedoch befremdlich still. Keiner wirkte froh
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