Höllenherz / Roman
normalerweise mein Text.«
»Versuchst du, witzig zu sein? Mir ist es nämlich vollkommen ernst.«
Lor musterte sie, angefangen von den zierlichen Stiefeletten, die enge Jeans hinauf bis zu ihrem Pulli. Dabei wurde der Ausdruck in seinen Augen merklich weicher, bekam beinahe etwas Intimes, und trotz allem lief Talia ein wohliger Schauer über den Leib.
Als Letztes erreichte sein Blick ihr Gesicht. »Ich versuche, den Mörder zu finden, schon vergessen? Und mir zu erzählen, dass du vorhast, deine Feinde zu beißen, ist nicht sehr klug.«
Talias Wangen glühten, doch seine Worte lenkten ihre Aufmerksamkeit auf das Wesentliche zurück. Sie musste vorsichtig sein, nachdenken. »Wir wollen dasselbe. Wir wollen herausbekommen, wer das getan hat.«
Nicht dass sie beabsichtigte, mit ihm zusammenzuarbeiten. Sie kannte ihn nicht, und seiner Miene nach zu urteilen hatte er sie noch nicht endgültig von der Verdächtigenliste gestrichen.
»Was weißt du über diesen Vampir, der im Haus war? Glaubst du wirklich, dass dein Meister ihn geschickt hat, um dich zu holen?«
»Ich weiß gar nichts. Ich halte es lediglich für gut möglich.« Vor allem, da Talia nicht mit leeren Händen geflohen war. Ältere Vampire mochten keine Banken. Allerdings dürfte Belenos heute eine nutzen, nachdem ihm ein paar Millionen in sauberen Notenbündeln abhanden gekommen waren.
Sie hoffte inständig, dass die Cops oben nicht die Dielenbretter anhoben.
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11
Mittwoch, 29. Dezember, 13 Uhr 45
Lors Wohnung
S ie war so verflucht schön, dass Lor Mühe hatte, bei Verstand zu bleiben. Der Hund in ihm hielt sich ungern mit Grübeleien über Mord oder Differenzen zwischen den Spezies auf. Er dachte lieber unmittelbar.
Weiblich. Hübsch. Weich.
Der Teil von ihm aber, der noch einigermaßen denken konnte, erkannte, dass Talia erstmals offen für ein Gespräch schien. Das war seine Gelegenheit, sie zu befragen.
»Baines ließ mich den Tatort ansehen«, sagte er in wackerer Imitation eines vernunftbegabten Wesens.
Ihr Ausdruck wechselte von wütend zu neugierig. »Und was konntest du herausfinden?«
»Ich habe herausgefunden, dass du Lehrerin bist.« Er lächelte verhalten. »Unter meinen Leuten ist das ein sehr ehrbarer Beruf.«
Sie senkte den Blick und wirkte auf einmal verlegen. Offenbar bedeutete es ihr viel. »Früher habe ich an einer privaten Highschool unterrichtet. Heute gebe ich Kurse für Literaturstudenten im ersten und zweiten Jahr, die ein Fernstudium machen. Meine Kurse finden online statt.« Sie zog eine Grimasse. »Auf diese Art kann ich meine Studenten nicht essen.«
Die Wehmut in ihrer Stimme ging ihm zu Herzen. Als sie wieder aufsah, konnte er für einen winzigen Moment so etwas wie Verletzlichkeit in ihren Gesichtszügen erkennen. Ihre Augen waren von einem erstaunlichen Bronzeton, der Lor an einen Habicht erinnerte – weder braun noch golden und mit einem grünen Kranz um die Iris. Wahrscheinlich waren sie haselnussbraun gewesen, als sie noch lebte, doch hatte ein Vampir erst Blut getrunken, bekamen die Augen einen metallischen Ton. Daran konnte man sie gut von Sterblichen unterscheiden.
Lor hielt ihrem Blick stand. Höllenhunde waren gegen die hypnotischen Kräfte von Vampiren gefeit, und er wollte es ihr beweisen. Ihr oder sich selbst, das wusste er nicht genau. Er war sich ihrer Nähe viel zu sehr bewusst und musste die Situation unter Kontrolle behalten. »Du kannst Latein, nicht wahr?«
»Ja. Warum?«
»Es stand ein lateinisches Wort an der Wand, und darüber war ein Symbol mit Blut gemalt.«
Sie erschrak. »Was?«
»Jemand hat etwas Lateinisches an die Wand geschrieben.«
»Wozu?«, fragte sie verständnislos.
»Kann es irgendetwas mit Michelle zu tun haben?«
»Nein. Latein war nicht ihr Ding. Ich bin die Streberin.« Rosa Tränen stiegen ihr in die Augen, und sie schluckte angestrengt. »Ich kann jetzt nicht über sie reden. Nicht, wenn du willst, dass ich die Fassung wahre.«
Sie schluckte wieder. »Was stand da?«
Lors Hände zuckten. Er wollte sie trösten, aber wenn er sie in die Arme nahm, könnte er unmöglich klar denken. Dann wäre die Befragung vorbei, ehe sie angefangen hatte, und sein animalisches Hirn hätte das Sagen. Und das hieße, er würde nachgeben. Ihr? Sich selbst? Ihm war nur klar, dass er sich nicht bremsen könnte.
»Es war ein einzelnes Wort.
Vincire.
«
Sie schüttelte den Kopf. »Warum das?«
»Was denkst du, dass es bedeutet?«
»Es ist eine Befehlsform und heißt
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