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Höllenherz / Roman

Höllenherz / Roman

Titel: Höllenherz / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Ashwood
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Schlächterlegenden reichen bis in die Zeit vor der Burg zurück. Geschichten, die am Kamin erzählt werden, um den Welpen Angst einzujagen.«
    Talia merkte, wie sie rot wurde. »Demnach bin ich dein Ausflug ins Abenteuer.«
    »Und was für ein reizendes Abenteuer!«
    »Danke«, sagte sie, weil ihr nichts anderes einfiel. Ihre Gedanken überschlugen sich. Die Vorstellung, das ganze Rudel kennenzulernen, war gleichermaßen spannend wie beängstigend. Lor allein war schon eindrucksvoll genug, wie er ein Zimmer durch seine pure Anwesenheit füllen konnte. Kein Wunder, dass die Polizei lieber auf Abstand blieb!
    Und ein Glück für sie. Welche Ironie, dass sie so lange Monster gejagt hatte und sich am Ende darauf verließ, dass eines von ihnen sie schützte!
    »Guck nicht so sorgenvoll.« Seine Fingerspitzen glitten über ihre Schulter, dass ihre Haut erwartungsfroh zu kribbeln begann.
    Talia antwortete nicht, war sie doch viel zu fasziniert von seiner unverkennbaren Stärke. Dieselbe Stärke hatte sie letzte Nacht gespürt, und die Erinnerung weckte frisches Verlangen in ihr.
    Lor packte den obersten Deckenzipfel und zog ihn fest nach unten, so dass sie Talia aus der Hand rutschte. »Wir müssen nicht sofort los.«
    »Schön.«
     
    Bis sie schließlich das Empire verließen, hatte Talia den Überblick über die Gefallen verloren, die sie Joe schuldig war – einschließlich derjenigen für die Benutzung seiner Waschmaschine und seines Trockners, um den Tunnelschlamm aus ihren Jeans zu spülen. Lor führte sie die am besten geräumten Gehwege entlang. Eiszapfen hingen von den Dächern, die zeigten, dass die Temperaturen tagsüber angestiegen waren; jetzt hingegen war es bitterkalt.
    Immerhin mussten sie keinen weiten Weg zurücklegen. Talia war noch nie in dieser Gegend gewesen, aber es roch nach Schwerstarbeit und zu wenig Geld, was sie an ihr altes Viertel erinnerte. Eine Gruppe junger Leute, weder Teenager noch richtige Erwachsene, stand dicht zusammengedrängt am Eingang eines Supermarktes. Zumindest bei einigen von ihnen handelte es sich um Vampire. Ein Werbär – der Größe nach musste er einer sein – hob seinen Truck aus einer Schneewehe. Ein Kino kündigte eine Mitternachtsvorstellung der
Rocky Horror Picture Show
an. Talia fragte sich, was die Monster von dem Film hielten.
    Lor bog nach Süden, und sofort wusste Talia, dass sie sich auf seinem Rudelgebiet befanden. Jeweils zwei riesige schwarze Hunde hockten am Eingang jeder Straße. Sie standen auf, als Lor an ihnen vorbeiging, und neigten ihre gigantischen Köpfe. Lor bedachte sie mit einem Nicken und legte einen Arm um Talia.
    Diese Geste war zugleich besitzergreifend und liebevoll. Ihrem Wunsch nach Unabhängigkeit stand sie entgegen, auch wenn Talia einsah, dass ein solches Zeichen auf diesem Territorium über ihr Überleben entschied. Es besagte, dass sie ein Gast war, kein Eindringling, solange sie Lors Schutz genoss. Ohne diesen war sie überaus verwundbar.
    Er ließ den Arm um sie gelegt, bis sie sein Ziel erreichten: eine grüne Tür in einer Reihe von alten zweigeschossigen Häusern. Bevor er klopfen konnte, wurde schon von einer Frau geöffnet, die Talia auf um die siebzig schätzte. Sie war in eine Art handgefärbte und bestickte Tracht gewandet sowie in Turnschuhe und eine Kunstfaserstrickjacke. Solche wenig stimmigen Kombinationen kannte Talia aus indianischen Gemeinden. In der nächsten Generation wäre von der traditionellen Kleidung noch weniger übrig.
    Die alte Frau sagte etwas in der Höllenhundsprache und musterte sie streng. Talia wurde sofort unwohl. Nein, sie gehörte eindeutig nicht hierher.
    »Das ist Talia«, erwiderte Lor auf Englisch. »Sie ist eine Freundin, die eine oder zwei Nächte hierbleiben muss.«
    »Komm herein! Unser Brot und Fleisch ist deines.« Die Frau sprach langsam und mit einem starken Akzent. Ihre Worte klangen wie eingeübt und routiniert zugleich, so wie jemand eine Tasse Kaffee anbietet.
    »Ich danke Ihnen, Ma’am«, entgegnete Talia ein wenig erleichtert. Sie wollte nicht, dass Lor ihretwegen Probleme mit seinem Rudel bekam.
    »Das ist Osan Mina«, erklärte er. »Sie ist eine unserer Ältesten.«
    Er neigte sich näher und flüsterte: »›Osan‹ bedeutet Großmutter, ›Obar‹ Großvater. Die Ältesten werden alle mit ›Osan‹ oder ›Obar‹ angesprochen. Damit bekundet man seinen Respekt.«
    »Verstehe.«
    »Danke.« Nun schien Lor erleichtert. Offensichtlich hatte man die Ältesten zu

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