Höllenherz / Roman
Welten jenseits von dieser. Wenn du bei einem von uns bist, wenn du bei
mir
bist, kannst du beruhigt schlafen.«
Unwillkürlich musste Talia lächeln. »Weil du mein Wachhund bist?«
Er tippte ihr mit dem Zeigefinger auf die Nase. »Und ob! Du bist nicht mehr allein. Niemals.«
Sie spürte die Dunkelheit auf sich zurauschen. »Ich habe jedes Mal Angst, dass ich nicht wieder aufwache.«
Lor schaute zu, wie ihre Gesichtszüge erschlafften und sich ihre Lippen einen Spalt öffneten. In der letzten Sekunde hatte er ihre Furcht gesehen. Eine unerwartete Traurigkeit brannte in seinem Hals, als sie aus dem Leben dorthin verschwand, wo Vampire schliefen.
Er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich so allein fühlen würde.
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24
Freitag, 31. Dezember, 16 Uhr
Empire Hotel
T alia wachte auf. Es dauerte einen Moment, bis ihr Verstand sich gesammelt hatte und ihr wieder einfiel, wo sie sich befand und was geschehen war, aber dann ertappte sie sich dabei, wie sie Lors nackten Rücken anstarrte. Ihr Blick folgte den arbeitenden Muskeln, als er sein Gewicht verlagerte. Er saß am Fußende des Bettes und tippte etwas in sein Handy.
Also war er den Tag über geblieben.
Ich bin nicht allein.
Wann war sie zum letzten Mal neben jemand anders aufgewacht? Vor Jahren. Lange bevor Belenos sie geholt hatte.
Damals war es Tom.
Diesen Gedanken hielt sie auf Armeslänge, denn er war nicht erwünscht. Schuldgefühle hatten sie jahrelang zur Einsamkeit verdammt, aber mit der letzten Nacht war eine grundlegende Änderung eingetreten.
Sie hatte Lor erzählt, wer die echte Talia war, und er hatte sie nicht abgewiesen.
Ich bin nicht allein,
dachte sie wieder, und diesmal staunte sie.
Nach allem, was mit mir passiert ist. Nach alldem, was ich getan habe, ob ich wollte oder nicht.
Zaghafte Freude regte sich in ihr, die offenbar nicht wusste, ob sie willkommen war. Ans Glücklichsein war Talia nicht gewöhnt.
Lor beendete sein Telefonat und drehte sich zu ihr um. Die Bewegung war entschieden zu fließend, überhaupt nicht menschlich. Für einen Moment fragte sie sich, wie viel an ihm reine Täuschung war. Aber was hieß das eigentlich: Menschlich? Höllenhund? Lor war Lor.
Seit wann bist du denn das Vorzeigemodell für interkulturelle Toleranz?
Seit sie knapp zwei Meter hyperumwerfender Mann mit einem Guten-Morgen-Lächeln beschenkten.
Ich hatte Sex. Oh, Manno, ich hatte Sex!
Sie tat ihr Bestes, um sich nicht allzu sehr anmerken zu lassen, wie sehr sie innerlich jubilierte.
»Guten Morgen«, sagte Lor.
»Hi.« Talia legte sich auf die Seite, so dass sie ihm zugewandt war, als er das Telefon ablegte und sich hinunterneigte, um sie zu küssen. Er schmeckte noch genauso gut, wie sie es in Erinnerung hatte. »Was ist draußen in der Welt los?«
»Die Menschen werden in wenigen Stunden Silvester feiern.«
»Da freut Joe sich bestimmt auf reichlich Umsatz. Was macht der Schnee?«
»Ich höre Autos. Sie müssen mehr Straßen geräumt haben.«
Ich wette, jetzt käme ich aus der Stadt.
Nur dass Talia gar nicht mehr fortwollte. Aber wo sollte sie hin, wenn sie blieb? Sie musste das Geld aus Michelles Wohnung holen und nachdenken, welche Möglichkeiten ihr blieben.
»Ich habe eben mit Bevan gesprochen, meinem Beta. Die Polizei beobachtet das Haus. Inzwischen sucht Baines nach uns beiden. Er weiß, dass ich dich verstecke.«
Offenbar hatte er ihre Gedanken erraten. Sie stützte sich auf einen Ellbogen. »Es tut mir leid, dass ich dich in diese Sache mit reingezogen habe.«
»Das ist mein Job.« Er strich ihr übers Haar. »Wir kriegen das hin. Fürs Erste können wir beim Rudel wohnen.«
»Bringen wir die anderen dadurch nicht in Gefahr?«
»Wegen Detective Baines? Glaube ich nicht. Die menschliche Polizei traut sich im Dunkeln nicht nach Spookytown.«
»Ach nein? Sind sie Mavritte begegnet?«
Er lachte leise. »Ja, sie versteht es fürwahr, Gästen ein ungutes Gefühl zu vermitteln.«
Talia zurrte die Decke fester um sich. »Mich eingeschlossen.«
Er schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht erlauben, dass sie dir Ärger macht. Bisher habe ich sie an der langen Leine gelassen, aber damit ist Schluss. Du bist mein Gast. Jedem wird klar sein, dass du zu schützen bist.«
Sie zog ihren Arm unter der Decke hervor und blickte auf ihr Tattoo. »Ich schätze, dann sollte ich nichts hierüber sagen.«
Nachdenklich sah Lor sie an. »Noch nicht. Die Hunde sollen dich erst einmal besser kennenlernen. Sie sind nett, aber die
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