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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Bäume. Trotz der spätsommerlichen Wärme trug er schwere Lederstiefel, in denen seine braunen Raulederhosen steckten. Er hatte eine lederne Jacke an, die an den Ellbogen speckig glänzte, darunter ein einfaches Leinenhemd. Vorne, im Gürtel, steckte noch ein Paar Lederhandschuhe.
    «Wollt Ihr nicht auch einmal schauen?», rief Richter Blettner ihm zu.
    Der Henker schüttelte den Kopf. «Knochen sind nicht mein Gebiet. Ihr hättet besser den Abdecker holen sollen.» Er lachte rau, holte ein schmales Messer aus seinem Stiefelschaft und begann, sich damit die Fingernägel zu reinigen.
    Heinz Blettner wandte sich ab. Es war ein Kreuz mit dem Henker. Schon immer gewesen. Wahrscheinlich lag das an dem Beruf, aber er hatte noch nie einen Scharfrichter erlebt, der sich etwas hätte sagen lassen. Noch nie.
    «Und?», fragte der Richter jetzt und wandte sich an Eddi Metzel.
    «Na ja, ein Tierknochen ist das nicht. Ich schätze, das hier», er hob einen grau-weißen Knochen hoch, «sind Elle und Speiche. Das hier», er deutete auf etwas, das noch auf dem Boden lag, «könnte ein Schenkelknochen sein. Wenn wir genau suchen, finden wir womöglich noch ein paar Splitter von der Hand. Ansonsten haben die Schweine alles aufgefressen. Selbst die zarten Knöchelchen von den Fingern. Die besonders.»
    Heinz Blettner staunte über den Leichenbeschauer. Nicht so blass wie sonst, sondern ruhig und aufmerksam versah er seine Arbeit. Er hatte sogar ein selbstgebautes Maßband dabei, einen Hanfstrick, an den in regelmäßigen Abständen bunte Bänder geknotet waren. «Hier», erklärte er und zeigte auf das erste bunte Band. «Das ist ein Fuß. Das Blaue Band bezeichnet eine Elle. Ich kann so messen, wie lang der Knochen ist. Dieser hier hat ungefähr die Länge wie der Armknochen, den man auf dem Römer gefunden hat. Es könnte also sein, dass beide Arme zu ein und demselben Körper gehören. Aber genau weiß ich es nicht. Dazu müsste man die Leiche schon obduzieren.» Er sah den Richter aufmerksam an.
    «Obduzieren?», fragte der. «Und das während der Messe?» Eddi Metzel schüttelte den Kopf. «Ich glaube nicht, dass uns das erlaubt wird. Der Schultheiß höchstpersönlich wird sich dagegen sträuben. Und wenn erst der Erzbischof davon erfährt! Der Leib, wird er sagen, der Leib ist heilig. Und dann hat es sich damit. Dann sind die Einzigen, die obduziert werden, wir. Weil wir den Täter immer noch nicht haben.»
    Der Leichenbeschauer lachte, doch Heinz war nicht zumLachen zumute. Langsam schritt er die ganze Lichtung ab und musterte den Boden Zentimeter für Zentimeter. An einer Stelle war die Erde besonders aufgewühlt. Heinz hockte sich hin, nahm ein Bröckchen zwischen die Finger, zerbröselte es, schnupperte. Der Geruch kam ihm bekannt vor.
    «Henker!», rief er. «Ich brauche Euch hier.»
    Ohne Eile verstaute der Henker sein Messer, zog die Hosen zurecht, spuckte aus und kam allmählich näher.
    «Riecht mal an der Erde hier.»
    Der Henker bückte sich und tat, wie ihm geheißen. «Blut», sagte er dann. «Eindeutig Blut.»
    «Das denke ich auch.» Heinz nickte und ließ seine Blicke über den Boden huschen. «Was meint Ihr, ist der Juwelier hier umgebracht worden?»
    «Kann sein, kann nicht sein. Nur frische Leichen bluten noch.»
    «Was wollt Ihr damit sagen, Scharfrichter?»
    «Vielleicht wurde er anderswo umgebracht. Und dann hier zerstückelt.» Mit diesen Worten erhob sich der Henker, schlenderte zurück zu seinem Baum, lehnte sich dagegen, verschränkte wieder die Arme und sah hinauf in die Wipfel.
    «Also ist es möglich, dass es zwei Tatorte gibt. Dort, wo der Mord geschah, und da, wo die Leiche zerlegt wurde.» Heinz hätte am liebsten laut geflucht. Der Fall wurde immer kniffliger.
    Er starrte auf den Boden, als stünde dort die Lösung. «Aber wie gelang es dem Mörder, den Juwelier in den Wald zu kriegen? Ganz gleich, ob tot oder lebendig?»
     
    Gustelies spürte, wie ihre Augen zuschwollen. Sie suchte nach ihrem Schnäuztuch und wischte sich die Tränen ausdem Gesicht. Einen Eimer mit eiskaltem Brunnenwasser wünschte sie sich, um ihr Gesicht zu kühlen. Doch da klopfte es an der Tür. Gustelies zog die Nase hoch, bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.
    «Es ist niemand da!», rief sie und hoffte, der Besucher würde wieder gehen. Doch statt sich entfernender Schritte hörte sie ein Lachen. «Mutter, ich bin es. Mach mir auf. Ich weiß ja, dass du da bist.»
    Gustelies seufzte schwer. Hella konnte sie nun

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