Höllenknecht
Auch sein Neffe packte mit an. Während sie gruben, rutschte Heinz auf den Knien über die Lichtung. Er betrachtete jeden Grashalm und jedes Blatt, zerkrümelte Erde zwischen den Fingern, schaufelte an einer Stelle ein wenig davon in sein Schnupftuch, schnitt mit einer Schere ein Dutzend Grashalme ab, stellte einen Zweig und zwei Farnwedel sicher. Hin und wieder schaute er auf.
«Habt Ihr was?», rief er den beiden Männern zu.
«Nein!» Der Büttel ließ die Schaufel sinken, zog sich Kittel und Leinenhemd aus. Mit nacktem Oberkörper grub er weiter, während sein Neffe sich aus dem Weinschlauch bediente, den er mit den Geräten zusammen gegriffen hatte, als sie zum Wald aufbrachen.
Endlich bückte sich auch der junge Mann wieder nach der Schaufel. Er stutzte, schaute genauer hin und hob dann etwas Rundes auf, das in der Abenddämmerung leuchtete. «Isch han ebbes, Onkel», sagte er. Der Büttel warf nur einen flüchtigen Blick darauf und winkte bereits dem Richter. Zu dritt betrachteten sie das kurze Knochenstück mit der glatten Kante an der einen Seite und einer runden Verdickung an der anderen. «Das muss von der Schulter sein.» Heinz war sich sicher. «Hier unten ist das Beil durch. Und als der Rumpf abtransportiert wurde, war das Fleisch an der Wunde schon so von den Maden zerfressen, dass das Schultergelenk einfach aus der Pfanne gerutscht ist. Gut gemacht.»
Der Richter legte den Knochenrest sorgfältig zu seinen übrigen Funden. «Schaut doch, ob ihr noch etwas findet. Alles kann helfen, den Fall endlich aufzuklären.»
Nach einem weiteren Schluck Wein machten sich der Büttel und sein Neffe wieder an die Arbeit.
Einmal kam ein altes Weib über die Lichtung. Sie trug einen Weidenkorb auf dem Rücken, in dem ein wenig Bruchholz stak. «Was tut Ihr denn hier, Herr?», fragte sie Heinz neugierig.
«Nichts, nichts, gute Frau», erwiderte der Richter zerstreut und schritt weiter über die Lichtung, den Blick fest auf den Boden gerichtet.
«Hier, Herr, hier ist was. Wir haben etwas gefunden!»
Das alte Weib blieb stehen, lud den Weidenkorb vom Rücken, holte einen Kanten Brot aus der Rocktasche und nagte daran herum. Es schien ihr durchaus recht zu sein, auf ihrem Weg durch den Stadtwald solch ein Schauspiel geboten zu bekommen. «Geht weiter, geht weiter. Hier gibt es nichts zu sehen!», scheuchte der Richter sie auf.
Dann ging er zu der Grube, die die beiden Männer gegraben hatten.
«Also, was habt Ihr da?»
«Hier!»
Der Büttel streckte dem Richter seine Hand hin. «Sieh an», sagte Heinz, «sieh mal einer an. Das hätte ich wahrlich nicht vermutet.»
Mit spitzen Fingern griff er nach dem verschnörkelten Metallstück, strich die verklumpte Erde ab und schaute genauer hin.
Dann nahm er den großen Schlüssel, hielt ihn hoch und sagte nachdenklich: «Er sieht ganz so aus wie der Schlüssel für einen Weinkeller, nicht wahr?»
«Bei Gott, Herr. Ihr habt recht», bestätigte der Büttel, und sein Neffe nickte dazu.
Richter Blettner schickte die beiden Gehilfen nach Hause, versprach jedoch, für jeden eine Kanne Wein in der Ratsschänkezu zahlen. Dann verließ er das Waldstück, schlenderte gedankenverloren quer durch die ganze Stadt bis hinüber zur Mainzer Pforte.
In der Vorstadt begann er, leise zu pfeifen. Sein Schritt wurde schneller. Als er vor dem Haus des Henkers stand, war er beinahe schon wieder guter Dinge.
Er reichte dem Unerbittlichen die Leinensäckchen, in denen sich auch die Knochensplitter befanden.
«Wollt Ihr selbst?», fragte der Henker und deutete auf das Nebengebäude, in dem die Leiche lag. Der Richter konnte sich noch zu gut an den Gestank erinnern und schüttelte den Kopf. «Macht Ihr das und sagt mir dann, was Ihr herausgefunden habt.»
Der Henker zog verächtlich die Nase hoch, packte den Knochen und verschwand. Heinz spazierte derweil auf dem Hof herum, ging nach links, nach rechts und schaute den Hühnern zu. Die standen gut im Futter. Erstaunt sah der Richter, dass eine der Hennen zwar auf dem Boden scharrte, aber ein goldenes Weizenkorn achtlos liegen ließ. «Gott zum Gruße, Richter», hörte er hinter seinem Rücken. Heinz wandte sich um.
«Euch ebenfalls einen guten Tag.» Er war in Plauderstimmung. «Eure Hühner, sie stehen gut im Futter, nicht wahr?»
Die Henkersfrau lachte. «Sie bekommen auch nur das Beste. Seht Euch die Eier an, groß wie eine Kinderfaust. Soll ich Euch welche davon mitgeben?»
Heinz wollte gerade nicken, da kam ihm ein
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