Höllenknecht
bin als Priester nicht nur Theologe, sondern auch Seelsorger. Und in diesemSinne natürlich mitverantwortlich für die Seelenruhe meiner Gemeinde. Aus diesem Grund, hörst du, nur aus diesem einen Grund werde ich den Exorzismus durchführen. So, und jetzt gib den Wein her.»
Der Richter reichte dem Priester die Flasche, und kurz darauf saßen beide in Pater Naus Studierzimmer und nippten mit vor Wonne geschlossenen Augen am Rotwein. «Wie willst du den Exorzismus ausführen?», fragte der Richter schließlich.
«Das lass meine Sorge sein», erwiderte Pater Nau.
«O nein, mein Lieber. Du erzählst mir jetzt ganz genau, wie du vorgehen wirst. Ich muss es schließlich dem Schultheiß berichten.»
Pater Nau verzog grämlich das Gesicht. «Immer, wenn ich gerade einmal denke, dass das Leben womöglich wirklich auszuhalten ist, kommt jemand daher und bestätigt mir, dass die Erde doch ein Jammertal ist und das Leben ein Graus.»
«So ist es», nickte Blettner. «Und jetzt erzähl mir vom Exorzismus.»
«Wie soll so was schon vor sich gehen? Es gibt natürlich Regeln dafür. Der Papst selbst hat sie abgesegnet. Zuerst bedroht man den Dämon, welcher die Person in Besitz genommen hat. Dann erfragt man seinen Namen, fordert ihn auf auszufahren und erteilt am Schluss das Rückkehrverbot.»
«Aha, und wie die einzelnen Schritte gestaltet werden, das liegt ganz bei dir, oder?»
Pater Nau bewegte den Kopf ein wenig. Mit gutem Willen konnte man diese Bewegung durchaus als ein Nicken werten.
«Und was genau hast du vor?»
Der Pater griff die Flasche und schenkte sich noch einmal großzügig ein. «Das hängt vom Besessenen ab und vom Dämon, welcher in seinem Inneren haust. Ich muss den Besessenen vor mir haben, damit ich die richtige Entscheidung treffen kann.»
Er trank aus, griff wieder nach der schweren Korbflasche, aber Heinz war schneller. Er zog den Wein zu sich, hielt ihn mit beiden Händen fest. «Ich höre!», forderte er. «Schließlich muss ich dem Schultheiß berichten.»
«Also gut», gab der Pater nach. «Zuerst versuche ich die Austreibung mit Gebeten. Ich richte ein Kreuz auf den Besessenen und benetze ihn mit Weihwasser. Meist reicht das schon aus.»
«Hmm», überlegte der Richter. «Für einen wahren Kannibalen erscheint mir die Prozedur zu einfach.»
Pater Nau schüttelte den Kopf. «Was willst du denn? Soll ich ihn eine Nacht lang ans Kreuz binden? Soll ich ihn auf Knien durch die Kirche rutschen lassen? Soll er gegeißelt werden, bis das Blut nur so spritzt? Soll der Dämon vielleicht sogar ausgehungert werden? Was stellst du dir vor, he?»
Der Richter hob die Schultern. «Ich muss dem Schultheiß etwas erzählen. Je drastischer, umso besser. Und vergiss nicht: Mit einem Kannibalen ist nicht zu spaßen. Denk dir was aus. Etwas, das Krafft von Elckershausen überzeugt.» Mit diesen Worten stand er auf und wollte das Arbeitszimmer verlassen. Auf der Schwelle rief Pater Nau: «Und was ist mit meinem Fass Spätburgunder vom Schön aus Assmannshausen?»
«Nach dem Exorzismus kannst du ihn dir bei mir im Malefizamt abholen. Danach, hörst du?»
Der Pater verzog das Gesicht, doch er nickte.
«Gut, ich schicke dir die Mutter mit dem Jungen vorbei, sobald wir sie gefunden haben, oder lasse dich wissen, wo du sie finden kannst.»
Mit diesen Worten verließ der Richter endgültig das Pfarrhaus.
«Bei der heiligen Hildegard, ich glaube, du bist von Sinnen!» Gustelies hatte die Arme in die Seiten gestemmt und musterte Pater Nau ärgerlich. «Ich kann nicht glauben, dass du dich für so etwas hergibst.»
Pater Nau schaute betreten nach unten. «Was hätte ich denn machen sollen, he? Einen aus der Familie im Stich lassen, nur, weil er Richter ist?»
«Ach», sagte Gustelies wutschäumend. «Jetzt tu nicht so. Um den Wein ging es dir, um sonst gar nichts.»
Pater Nau ließ sich auf die Küchenbank fallen und sah seine Schwester wütend an. «Du verstehst überhaupt nichts! Natürlich ist der Wein gut, aber ich habe schließlich eine Moral!»
«Pfff! Moral! Es ist eine Sünde, sich an einem Irren zu vergreifen. Jawohl! Was kann der arme Kerl dafür, dass er nur Grütze im Kopf hat? Er ist krank, verrückt eben. Und dagegen helfen auch keine Gebete oder Exorzismen. Du machst den Jungen nur vollkommen zappelig und seine arme Mutter gleich mit.»
Pater Nau hob die Hand, um Gustelies’ Redeschwall zu stoppen. Doch das war nicht einfach. «Ich mache nicht mit», schrie sie. «Und außerdem habe ich
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