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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Mitglied der Faustus-Loge. Und die meisten anderen kannte er ebenfalls seit Jahren.
    Hier gab es nichts zu schnüffeln, hier gab es für Fremde nichts zu hören und zu sehen, und Mord und Totschlag sowie Menschenfresserei schon mal überhaupt nicht. Aber wie sollte er den Richter von Nachforschungen abhalten? Gut, die Loge war geheim, aber in einer Stadt wie Frankfurt blieb nichts gänzlich verborgen. Krafft von Elckershausen duckte sich tiefer in sein Wams. Er sah nach vorn, wo der Redner des heutigen Abends gerade einen Vortrag über den Tau als alchemistisches Wasser hielt. «Der Tau, welchen man benötigt, um Gold zu machen, muss im April oder Mai geerntet werden, am besten von einem jungfräulichen Paar. Mit einem sauberen Laken schicke man sie hinaus auf die Wiesen, auf dass sie mit diesem Laken den Tau aufnehmen, bis es ganz satt ist, und ihn dann wringen wie ein Wäschestück», sagte der Redner.
    Derweil grübelte der Schultheiß. Was geschieht, wenn meine Mitgliedschaft in der Loge ruchbar wird? Ist der Versuch, Gold zu machen, eigentlich Blasphemie?
    «Vierzig Tage lang muss das Wasser digeriert werden, am einundvierzigsten Tag zum zweiten Mal destilliert, dann erscheint eine fixe, schweflige Blüte darin, die das ‹Gold der Weisen› genannt wird.»
    Aber wenn ich die Zusammenkünfte meide, so erfahre ich womöglich nicht rechtzeitig, wie man Gold macht,überlegte der Schultheiß weiter. Innerhalb eines Jahres muss es gelingen. Der Alte hat es so gesagt.
    «Das Ergebnis der Destillationen wird mit dem Auszug vereint, der durch das gemeinsame lunarische Feuer   …»
    Was? Lunarisches Feuer? Was ist das denn? Jetzt habe ich den Faden verloren. Und schuld daran ist nur dieser vermaledeite Richter. Ich werde ihn mir morgen noch einmal vorknöpfen. «…   nach seiner Reinigung durch Feuer und Wasser wird er zur Weißung gebracht.»
    Vielleicht gelingt es mir, ihn von dem Geheimbundgedanken wegzulocken, wenn er schon Verdacht hat. Unter uns gibt es keine Menschenfresser, so wahr ich hier hocke und mir die Seele aus dem Leib schwitze. Es wird doch wohl möglich sein, in dieser Stadt einen Täter zu finden, und das möglichst hurtig. Unter Ausschluss jeglicher Zaubereispekulation.
    Der Schultheiß sah nach vorn und versuchte, dem Redner zu lauschen, doch er hatte endgültig den Faden verloren.
    Mist, dachte er. Jetzt sitze ich hier, bezahle ein Heidengeld jedes Mal und erhalte keinen Gegenwert dafür. Das wird mir der Richter büßen. Alles wird mir der Blettner büßen. Zu dumm aber auch, dass eins der Bücher in der Stadt aufgetaucht ist. Ich habe gleich gesagt, dass man nur Leute von Stand aufnehmen soll.
     
    Seit Josef im Pfarrhaus wohnte, war Pater Nau ganz verändert. Das jedenfalls fand Gustelies. Den ganzen Tag über beschäftigte er sich mit dem Jungen. Das Merkwürdigste daran aber war, dass Pater Nau dem Jungen dieselben Fragen stellte wie sonst Bruder Göck! Was ist, wenn der Teufel seine Sünden bereut?
    Josef hatte gekichert. «Gott futsch», hatte er gesagt, sich aber nicht zu näheren Erklärungen herabgelassen. Ohnehin fehlten ihm für die meisten Dinge die Worte. Pater Nau aber grübelte und grübelte, versuchte zu deuten, machte sich sogar Notizen. Ansonsten werkelten die beiden im Haus. Josef hatte geschickte Hände. Nur ab und an bekam er Anfälle, die Gustelies ein wenig Angst einjagten. Dann warf er sich auf den Boden, zuckte an allen Gliedmaßen, rollte mit den Augen, stieß grelle, spitze Schreie aus und bäumte sich auf, als wäre ihm der Blitz in den Körper gefahren. Meist trat ihm dann noch der Schaum vor den Mund. Gustelies rannte jedes Mal wie eine Furie in die Küche und holte ein Stück Holz, welches sie dem Jungen in den Mund schob, damit er sich nicht die Zunge abbiss. Irgendwann gingen die Anfälle vorüber, Gustelies dankte dem heiligen Cyriakus, dem Patron der Besessenen, für seine Hilfe, und der Tag ging weiter.
    War der Junge nicht bei Pater Nau, so saß er bei ihr in der Küche. Er konnte stundenlang mit zwei Steinen spielen oder einfach nur dahocken und sich hin und her wiegen. Manchmal fragte er nach seiner Mutter, doch die durfte ihn nicht besuchen. Heinz Blettner hatte das so angeordnet, da der Junge in erster Linie als Verdächtiger galt. Wenn der Exorzismus Erfolg zeigte, würde die Sache anders aussehen.
    Heute ging Gustelies auf den Markt. Das tat sie normalerweise auch, aber an den Messetagen mit besonderer Freude. Sie blieb an jedem Stand stehen und

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