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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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betrachtete die ausländischen Dinge. «Was ist denn das da?», fragte sie einen Händler, der merkwürdig aussehende Holzbälle vor sich liegen hatte.
    «Kokosnüsse», erwiderte er.
    «Aha. Was tut man damit?»
    Der Händler erklärte es, und schon hatte Gustelies eine Kokosnuss in der Tasche. Sie kaufte außerdem ein winziges Säckchen Safran, etwas Zimt, ein paar Nelken und andere Gewürze, die es hauptsächlich zu Messezeiten gab. Sie blieb vor einem Stand stehen, der ein dreistöckiges Tablett aus Silber anpries. Seufzend strich sie über das glatte Metall und ging dann wehmütig weiter. Sie konnte und wollte nicht so viel Geld für ein Tablett ausgeben, wie andere Leute für eine schlachtreife Sau zahlten. Mochte das Silber noch so glänzen, das Tablett noch so nach dem neuesten Geschmack sein.
    Sie gelangte auf den Römerberg und stattete natürlich ihrer Freundin Jutta Hinterer einen Besuch ab. Doch was war das? Keine Jutta? Die Wechselstube verschlossen? Verblüfft sah Gustelies sich um. Wo war Jutta? In all den Jahren, die sie sich nun kannten, war es noch nie vorgekommen, dass die Wechselstube am helllichten Tag geschlossen war und noch dazu zur Messe. Nicht einmal, als Juttas zweiter Mann das Zeitliche gesegnet hatte. Was war nur? War Jutta etwas passiert? Gustelies blickte sich besorgt nach jemandem um, der ihr Auskunft geben konnte. Aber da sah sie schon Juttas feuerroten Haarschopf auftauchen. Einen Augenblick später stand die Hintererin keuchend vor ihr. «Du glaubst nicht, was geschehen ist», japste sie und presste beide Hände auf ihren wogenden Busen. «So wahr mir Gott helfe, das gab es noch nie in der Stadt.»
    Jutta zerrte den Schlüssel, den sie an einer Kette um den Hals trug, hervor und schloss die Wechselstube auf. Sofort packte sie zwei Schemel, stellte sie vor die Tür und ließ sich, noch immer keuchend, auf den einen sinken.
    Gustelies nahm auf dem anderen Platz. «Jetzt spannmich nicht auf die Folter», beschwerte sie sich. «Erzähl schon, was geschehen ist.»
    Aber Jutta musste erst noch einen Schluck aus ihrer Kanne trinken, ehe sie den Mund aufmachte. Endlich aber wischte sie sich mit dem Handrücken über die Lippen. «Also. Gerade eben war ein Kannengießer am Brunnen in der Mitte des Römerberges. Und dieser Kannengießer behauptete, er habe das Buch ‹Doktor Faustus’ dreifacher Höllenzwang›! Und das Beste kommt jetzt: Er hatte einen Klumpen Gold als Beweis dabei!»
    «Was?», rief Gustelies und sprang von ihrem Schemel. «Wo ist er?»
    Jutta zeigte mit dem Finger hinunter zum Brunnen. «Dort, wo die Menschenmenge steht.»
    Gustelies sprang auf. Klappernd fiel der Schemel hinter ihr um. Schon stand sie inmitten der Menge, arbeitete sich mit den Knien und Ellbogen nach vorn.
    Was sie austeilte, musste sie auch einstecken. Hier fuhr ihr eine Faust in die Seite, dort reckte sich ein Bein, welches sie beinahe zu Fall brachte. «Weg da!», kommandierte Gustelies und drängte weiter. Jemand riss an ihrem Kleid, ein dicker Mann wollte und wollte nicht weichen. Die Menge war wie von Sinnen. Jeder wollte zuerst beim Kannengießer sein, wollte den Goldklumpen berühren, mit eigenen Augen das gedruckte Rezept sehen.
    «Nicht so hastig, Leute», rief der Kannengießer, ein stattlicher Mann mit weißblondem Haar, himmelblauen Augen und hochrotem Gesicht. «Ihr erdrückt mich ja! Und dann kriegt ihr alle nichts!»
    Doch die Leute hörten nicht. Sie schubsten und zerrten einander herum, rissen Kleider entzwei und Haare aus. Sie pufften, stießen, zogen, drängten, traten und schlugen, sosehrsie nur konnten. Auch Gustelies war nicht zimperlich. Als sie sich endlich nach vorn gekämpft hatte, hing ihr die Haube schief, das Kleid hatte einen Riss, und ihre linke Wange zierte ein daumenlanger Kratzer.
    «Puh!» Gustelies pustete sich eine Strähne aus dem Gesicht und packte den Kannengießer am Arm. «Woher habt Ihr das Buch?»
    «Teuer gekauft, gute Frau.»
    «Wie viel verlangt Ihr für das Rezept?»
    «Ihr versteht, dass ich es nicht billig machen kann. Immerhin könnt Ihr damit unermessliche Schätze anhäufen. Vier Gulden möchte ich.»
    «Vier Gulden? Seid Ihr verrückt? Dafür bekommt man ein Schwein! Oder ein dreistöckiges Silbertablett! Das ist zu viel!»
    Der Mann zuckte mit den Achseln. «Ihr müsst es ja nicht kaufen. Seht selbst. Ich finde für meine Schätze auch ohne Euer Zutun genug Kunden.»
    Schon drängte sich eine sehr dicke Frau, die nach Sauermilch roch, an Gustelies

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