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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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Unwesen treibt, riecht es nun mal nach Schwefel.»
    «Hat nicht der Ausrufer heute verkündet, dass der Exorzismus zur Vesper losgeht?», fragte eine andere.
    «Es hat noch gar nicht zur Vesper geschlagen, oder?»
    Der Satz war noch nicht verklungen, da erschallten die Glocken des nahen St.-Katharinen-Klosters. «Jetzt ist Vesper. Jetzt fängt es an», raunte die Menge.
    «Tut sich was? Hach, ist das aufregend! Hört ihr was?» Weit hinten stellte sich eine Küchenmagd auf die Zehenspitzen.
    «Ruhe, sei doch still», ermahnten die älteren Frauen sie. «Oder nimm den Rosenkranz, wenn du dein Plappermaul nicht halten kannst.»
    Durch den geschlossenen Fensterladen drang eine Duftwolke.
    «Weihrauch», verkündete ein Mann, dessen Nase fast am Fensterbrett klebte. «Der Pater bekämpft den höllischen Schwefel mit heiligem Weihrauch.»
    Mehr und mehr Rosenkränze wurden gezückt. Durch die leise gemurmelten Gebete schallte wieder die Stimme der Küchenmagd. «Und jetzt? Hört Ihr jetzt etwas?»
    «Still doch! Sonst versteht man gar nichts», forderte der Mann am Fensterbrett. «Nein, nichts zu hören. Oder halt. Jetzt doch. Ich höre Gemurmel.»
    «Das wird der Pater sein, der seine Gebete spricht.»
    «‹Wie heißt du? Nenne deinen Namen!› Das habe ich ganz genau gehört. Das hat der Pater gerufen», mischte sich die junge Frau mit dem Säugling auf dem Arm ein.
    «Und? Was ist die Antwort?»
    «Ruhe, verflucht!» Der Mann am Fensterbrett wurde laut. «Wenn ihr dauernd schwatzt, werden wir nie etwas erfahren.»
    Einen Augenblick herrschte Schweigen. Nur das aufgeregte Scharren der vielen Füße war zu hören, und das Klicken der Rosenkranzperlen.
    «‹Ist dein Name Barbiel?›, hat er jetzt gefragt.»
    Vor dem Fenster war es nun ganz still. Alles hielt den Atem an.
    «Neeiin», flüsterte der vorderste der Fenstersteher heiser. «Der Besessene hat nein gesagt. Und jetzt fragt der Pater lauter Namen, die ich nicht verstehe. Und immer wieder ist die Antwort Nein.»
    Die Menge seufzte. Dann wurde es wieder still. Nur vereinzelt machte jemand eine Bemerkung. Sofort zischten die anderen, bis wieder Ruhe einkehrte. In die atemlose Stille fuhr plötzlich ein Schrei.
    So laut, so schrill, so markerschütternd, dass die, die vor dem Fenster standen, auf die Knie sanken und laut zur Muttergottes beteten. Als endlich die Glocken des St.-Katharinen-Klosters zur Abendmesse riefen, erhob sich die Nonne. Sie streckte ihre Arme nach dem Fenster aus, legte beide Zeigefinger über Kreuz: das Zeichen, um Dämonen abzuwenden. Dann drehte sie sich um und ging.
    Einer nach dem anderen stand nun auf und ging ohne Gruß von dannen. Die junge Mutter presste ihren Säugling an die Brust. Die Blinde segnete ihre Tochter, Männer kneteten ihre Mützen in den Händen. Niemand sprach. Immer noch roch es nach Weihrauch, am nächsten Tag behauptete eine Frau auf dem Markt, es hätte die ganze Zeit nach Schwefel gestunken.
    «Danach auch noch», sagte sie. «Der Gestank hat sich in mein Kleid gesetzt, und ich brachte ihn mit in mein Haus. So schlimm ist das gewesen, dass mein Kindchen das Kotzen angefangen hat. Und die Katze ist vor mir geflohen. Jawohl, geflohen! Und erst am nächsten Morgen stand sie wieder vor der Tür.»
    Einer der Handwerker erzählte von dem Schrei. Diesemschrecklichen Brüllen, als Pater Nau den Namen des Höllenfürsten erriet. «Das war Nadaniel», sagte er mit wichtiger Miene. «Ihr müsst wissen, dass das einer der gefallenen Engel ist, der mit Luzifer bis in die Hölle stürzte. Und dort ist er König und Heerführer. Die anderen Namen, die weiß ich auch. Luzifer. Beelzebub. Und dann sind da noch Bludohn, Gottseibeiuns und Satanus. Und mit allen wollte es unser Pater Nau aufnehmen. Gott steh uns bei, wenn er den Namen nicht herausgebracht hätte.»

KAPITEL 10
    Wenn Hella ganz ehrlich zu sich war, dann hatte sie schon vergessen, warum genau sie auf Heinz so böse war. Und wäre da nicht Felicitas von Brasch gewesen, wäre sie längst wieder zu Hause.
    Sie lag auf dem knarrenden, schmalen Bett im Roten Ochsen, das klumpige Deckbett bis über beide Ohren gezogen, und seufzte. Von links nach rechts und von rechts nach links hatte sie sich schon gedreht, hatte das Kissen unter die rechte Wange, die linke Wange und unter den Bauch gelegt, hatte den rechten Arm über dem Kopf, neben dem Kopf und auf dem Bauch liegen gehabt. Aber einschlafen konnte sie nicht.
    Die Eifersucht und das schlechte Gewissen quälten sie.

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