Höllenknecht
Felicitas von Brasch. Lange ertrug sie das nicht mehr. Heinz würde sich entscheiden müssen. Was aber, wenn er sich für Felicitas entschied? Hella wurde ganz übel, wenn sie daran dachte. Sie hatte Heinz in der letzten Zeit wahrhaftig nicht gut behandelt. Und wenn sie es hätte rückgängig machen können, Gott allein wusste, wie gern sie es getan hätte. Erst seitdem sie Heinz mit Felicitas gesehen hatte, machte sie sich wieder Gedanken um ihn. Hatte vorher nur ihr eigenes Unglück im Blickpunkt gestanden, so fragte sie sich nun, was Heinz wohl wünschte und ersehnte. Er war der Richtige für sie. Das wusste sie jetzt wiedergenau. Arvaelo war ein schöner Mann, geheimnisvoll, aber würde er ihr auch den Kopf halten und das Haar aus dem Gesicht streichen, wenn sie erbrechen musste? Würde er ihr die ganze Nacht die Stirn kühlen, wenn sie fieberte? Dürfte sie IMMER unter seine Bettdecke schlüpfen, wenn die Angst kam? Die schlechten Träume? Die, in denen sie immer und immer wieder ein totes Kind in der Wiege liegen sah? Heinz war verlässlich, verständnisvoll, liebevoll. Das und noch viel mehr. Heinz war alles, was sie brauchte.
Aber die Geheimloge, von der die Druckerin Angelika erzählt hatte! Hella seufzte. Sie wusste genau, wie wichtig solche Erkenntnisse für die laufenden Ermittlungen waren. Sie hatte noch nicht sehr oft von Geheimbünden gehört. Und wenn, dann wurde nur darüber gemutmaßt. Da sollte es Gesellschaften geben, die ließen hinter verschlossenen Türen Stühle und Tische rücken wie durch Geisterhand. Da gab es andere, die ein umgedrehtes Kreuz anbeteten. Und solche, die nach dem Heiligen Gral suchten. Was genau eine Loge trieb, die sich nach Doktor Faustus benannt hatte, wusste Hella nicht. Machten die dort Gold? Oder versuchten sie, die Höllenfürsten für eigene Unternehmungen zu gewinnen? Spielten sie mit dem Teufel? Hella spürte, wie ihr kalte Schauer über den Rücken liefen. Zugleich schwitzte sie unter der Bettdecke. Sie hatte Durst, und außerdem plagte sie ein dringendes Bedürfnis.
Seufzend stand sie auf und suchte unter dem Bett nach dem Nachttopf. Doch sie konnte keinen finden. Isabel musste ihn vergessen haben ihr wieder hinzustellen. Hella zog sich einen Morgenrock über, verzichtete auf ihre Pantoffeln und schlich, um die anderen Gäste nicht aufzuwecken, zur Stiege. Sie ging hinunter in die Schankstube undvon dort auf den Hof. Als sie sich erleichtert hatte und zurück ins Haus wollte, sah sie einen Lichtstrahl, der aus einer halbgeöffneten Tür fiel. Hella blieb stehen und lauschte. Dumpfes Poltern war zu hören, heftiges Stöhnen und Schnauben. Ob die Loge vielleicht hier, ausgerechnet hier ihren dunklen Ritualen frönte? Hella presste eine Hand auf ihr wild pochendes Herz und trat näher. Vorsichtig warf sie einen Blick durch den Türspalt. Mit hochrotem Kopf prallte sie zurück. Keine Loge, keine Goldmacherei. Aber dafür die Wirtin. Und Isolde war nicht allein. Rittlings auf ihrem nackten Leib saß nicht der Teufel, sondern Johann, der Gehilfe.
Krafft von Elckershausen verzog das Gesicht. Er schwitzte, und die Umgebung gefiel ihm nicht. Außerdem war da ein Problem aufgetaucht, von dem er nicht wusste, wie er es lösen sollte. Der Vorsitzende der Loge, den der Schultheiß bei sich gern «der Alte» nannte, hatte vor Beginn ihrer geheimen Sitzung darauf hingewiesen, dass das Bestehen des Geheimbundes sich in Frankfurt langsam herumsprach. Man wisse nicht, ob vielleicht auch die Obrigkeit schon Kenntnis davon hatte. Außerdem stand gerade nicht der gewohnte Ort für ihre regelmäßigen Treffen zur Verfügung. Nun saßen sie also hier, in diesem alten Badehaus, das seit Jahren nicht mehr benutzt worden war. Zudem war der Wein heute Abend schlecht, und dem Schultheiß saß der Erste Bürgermeister im Nacken. Im nächsten Jahr fand die Wahl statt. Krafft von Elckershausen hatte sich fest vorgenommen, spätestens dann die Macht über die Freie Reichsstadt Frankfurt in die Hand zu nehmen und seinen Bruder auszustechen. Hoffentlich war bis dahin diese schreckliche Menschenfressergeschichte aufgeklärt. Sonstgäbe das sicher Probleme bei der Wahl. Und wenn das der Fall sein sollte, dann gnade Gott dem Richter. Wenn der sich auch noch erdreisten sollte, im Allerprivatesten des Schultheißen herumzuschnüffeln, als stünde Krafft von Elckershausen nicht himmelweit über ihm, dem kleinen Rechtsverdreher! Das hätte gerade noch gefehlt. Seit Jahren war der Schultheiß
Weitere Kostenlose Bücher