Höllenknecht
Schrei erklang, so schrill, dass den Leuten schier das Blut in den Adern gefror.
«Jetzt ist er getroffen, der Teufel», raunte die Menge und bekreuzigte sich. Mehrere Frauen falteten die Hände und beteten.
Endlich verhallte der Schrei. Die junge Mutter seufzte. «Froh bin ich, wenn endlich alle Teufel ausgetrieben sind. Dann gibt es auch keinen Menschenfresser mehr in der Stadt, und wir brauchen nicht um uns und unsere Kinder zu fürchten.»
Der Richter stieß den Schultheiß sacht an, aber der legte nur den Finger an die Lippen.
Von drinnen erklang jetzt ein wüstes Klirren und Schlagen, dazwischen die dumpfe Stimme von Pater Nau: «Ich, Pater Nau, rufe dich, Geist und Beelzebub bei Schohositia, Schelam, Jehova, Rolmion, Adonay …»
«Wie viele will er denn noch aufzählen?», raunte der Schultheiß.
«Ich weiß es nicht. Ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus», erklärte der Richter.
«… Roreipse, Loisant et Dortam et Polaimy et Acom et Coelum et Quiavitit …»
Wieder ertönte ein Schrei, der durch Mark und Bein ging. Die Menge stöhnte auf. Einige Männer hatten ihre Mützen abgenommen und kneteten sie in den Händen, die Frauen hatten schreckweite Augen. Dann ertönte ein Klatschen, noch eins und noch eines. Hinter dem Fensterladen heulte jemand auf wie ein Tier. Ein erneutes Klatschen, ein erneuter Schrei.
«Die Teufel wehren sich», raunte die Frau mit dem Säugling. «Sie werden gegeißelt und setzen sich dagegen zur Wehr.»
Jetzt ertönte ein langgezogener Schrei, der den Umstehenden beinahe den Atem nahm. Es klang, als flehe einsterbendes Tier um sein Ende. Gleich darauf war ein Gewinsel zu hören, gefolgt von einem Bellen.
«Der Höllenhund meldet sich», verkündete die dicke Frau voller Ehrfurcht. Sie hatte ihre linke Hand fest um den Rosenkranz gekrallt.
«Weiche, Satan», schrie Pater Nau und ein heftiges Gepolter folgte. Es klang, als wären Tisch und Stühle umgefallen.
«Sie krallen sich fest, die Teufel, sie wollen nicht aus dem Jungen weichen», erklärte nun der alte Mann.
«Schluss jetzt. Ich will da rein und mit eigenen Augen sehen, was da vor sich geht.» Der Schultheiß rückte an seiner Ratskette und drängte zur Tür des Pfarrhauses.
Richter Blettner lächelte, öffnete die Tür zum Pfarrhaus, führte Krafft von Elckershausen durch einen Gang und schon standen sie vor der Tür der Kammer. Auch hier quoll Weihrauch durch die Ritzen, sodass der Schultheiß wieder mit der Hand vor seinem Gesicht herumwedelte.
«Ein Gestank ist das! Kein Wunder, dass die Teufel zu brüllen beginnen.» Kaum hatte er diesen Satz ausgesprochen, hörte man wieder ein grausiges Klatschen, begleitet von tierischem Geschrei.
«Schlägt er ihn da drinnen?», fragte der Schultheiß.
Der Richter zuckte mit den Achseln. «Ich habe keine Ahnung. Es heißt aber, die Teufel, welche in die Menschen kriechen, seien besonders hartnäckig. Es gab Besessene, die sind sogar gestorben beim Exorzismus.»
Er sah seinen Vorgesetzten an und registrierte zufrieden, dass den das Grauen noch stärker befiel.
«Wollt Ihr wirklich hinein?», fragte er lauernd.
«Es ist wohl meine Pflicht, nicht wahr? Als Stadtvater muss ich mich kümmern.»
Krafft von Elckershausen schaute Heinz Blettner an, als erwarte er von ihm einen Widerspruch. Geht nicht rein, Ratsherr, um Gottes Willen. Aber der Richter tat ihm den Gefallen nicht. «Die Leute haben Euch gesehen. Das hat ihnen Vertrauen geschenkt. Der Rat wird es schon richten, glauben sie. Ihr dürft sie nicht enttäuschen.»
Der Schultheiß seufzte. «Dachte ich mir’s schon.»
Er holte ganz tief Luft und riss die Tür zur Exorzismusstube auf. Im selben Augenblick ertönte ein weiterer Schrei, gefolgt von einem kräftigen Klatschen. Und was Krafft von Elckershausen im Zimmer sah, verschlug ihm die Sprache.
KAPITEL 11
Im Exorzismuszimmer saßen Pater Nau, Gustelies und Josef brav um einen Tisch herum und aßen frisch gebackenen Apfelkuchen. Zwischendurch griff der Pater zur Pferdepeitsche und ließ sie auf den Boden knallen, während seine andere Hand den Kuchen hielt.
Dann riss Gustelies den Mund auf und heulte so schrecklich sie konnte. Gelassen schnitt sie derweil ein neues Stück für Josef ab.
Ihr Schrei war so laut, dass die drei nicht hörten, wie die Tür geöffnet wurde.
«Aha», sagte der Richter, als Gustelies den Mund wieder zuklappte. «So ist das also!»
Die drei sahen sich betreten an. Pater Nau machte Anstalten, sich zu erklären, doch
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