Höllenknecht
der Schultheiß kam näher und klopfte ihm auf die Schulter. «Weitermachen», flüsterte er. Dann wandte er sich an Gustelies. «Ich hätte gern ein Randstück mit viel Streusel.»
Er nahm Pater Nau die Peitsche aus der Hand und ließ sie selbst über den Boden knallen. Gustelies brüllte, aber dem Schultheiß genügte das nicht. «Ihr auch, Richter», bestimmte er und ließ die Peitsche erneut knallen. Heinz Blettner seufzte, stimmte aber mit in das Geheul ein. Krafft von Elckershausen biss in sein Kuchenstück, schwang die Peitsche und zwang seinen Richter zu schreien. Es folgtenwieder ein Biss, ein Peitschenhieb und ein Schrei. So ging es fort, bis der Richter und Gustelies gänzlich außer Atem waren.
Eine Viertelstunde später war der Spuk vorüber. Pater Nau öffnete den Fensterladen und erklärte den Wartenden, dass sie heute ein großes Stück weitergekommen seien. Zumindest zwei der Teufel, die in dem Jungen gehaust hatten, seien vertrieben. Er segnete die Menge und schickte sie nach Hause.
Anschließend saßen sie wieder alle beisammen in der Stube, die noch immer leicht nach Weihrauch roch. Pater Nau schielte auf den Kuchen, doch er wagte nicht, sich das letzte Stück zu nehmen. Stattdessen fragte Gustelies den Schultheißen: «Darf ich Euch noch auftun?»
Krafft von Elckershausen nickte erfreut. «Selten habe ich so köstlichen Kuchen gegessen!»
Er biss ein großes Stück ab, dann wandte er sich an den Pater. «Ihr seid ein geschickter Mann, Pater. Ihr versteht es, die Leute zu beruhigen.»
«Na ja, das Leben ist ein Graus und die Erde ein Jammertal, aber schließlich bin ich Seelsorger.»
«Gott wird es Euch vergelten. Nun aber sagt, was Ihr aus dem Jungen noch herausgebracht habt? Ich sehe ja selbst, dass er sie nicht alle beisammen hat. Ist er schuldig?»
Pater Nau schüttelte entschieden den Kopf, Gustelies rief ein empörtes «Nein!» und legte einen Arm um Josefs Schulter.
«Woher wisst Ihr das?», fragte er.
«Er wohnt bei uns. Wir kennen ihn. Er ist von Herzen gut, kann keiner Fliege etwas zuleide tun. Aber er denkt anders als wir. Dass er in den Rumpf gebissen hat, muss einen Grund haben. Josef macht nichts ohne Grund.»
«Und wie lautet der Grund?», fragte der Schultheiß mit einer Spur Gleichgültigkeit in der Stimme. Er wühlte in seiner Geldbörse und holte eine Münze hervor.
«Backt Ihr mir einen solchen Kuchen, Frau Gustelies, wenn ich Euch dafür bezahle?»
Gustelies lächelte geschmeichelt. «Nein, Ihr braucht natürlich nichts zu bezahlen. Kommt einfach zu unserem Fest an Mariä Geburt und lobt dort meinen Kuchen, dann schenke ich Euch ganze drei Bleche voll nacheinander.»
Der Zweite Bürgermeister, geizig wie alle reichen Männer, nickte erfreut. Doch Josef hatte sich die Münze bereits gegriffen und biss darauf.
«Was machst du da?», fragte Gustelies und wollte dem Jungen das Geldstück wegnehmen.
«Gold echt?», fragte der Junge und betrachtete die Bissspuren darauf. Er lachte und hielt es in die Höhe. «Gold echt! Mama freut sich!»
Jetzt kam der Richter näher. «Junge», sagte er, «beißt die Mama immer auf ein Goldstück?»
Josef nickte eifrig. «Gold echt», wiederholte er.
«Und was geschieht, wenn das Gold nicht echt ist?»
«Mama weint und schreit.»
«Aha.» Richter Blettner ging jetzt um den Tisch herum, legte Josef einen Arm freundschaftlich um die Schultern. «Möchtest du, dass der Schultheiß dir die Münze schenkt?»
«Augenblick mal», empörte sich Krafft von Elckershausen, doch der Richter achtete nicht darauf.
Josef nickte, steckte die Münze wieder in den Mund und biss darauf. «Gold echt!», rief er aus.
«Wenn das Gold nicht echt wäre, was hättest du dann gemacht?»
«Josef weint und schreit.»
«Josef weint und schreit», wiederholte der Richter leise. «Diesen Satz habe ich schon einmal gehört!»
Er machte ein nachdenkliches Gesicht, legte den rechten Arm vor die Brust, stützte den Ellbogen des linken auf das rechte Handgelenk und nahm das Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger. Sein Blick irrte durch den Raum und verlor sich hinter dem Fenster. «Josef weint und schreit», murmelte er vor sich hin.
Da fuhr er herum und rief: «Ich hab’s!»
«Was?», fragte der Schultheiß verwirrt. «Was habt Ihr nun schon wieder?»
«Ich weiß jetzt, warum der Junge in den Rumpf gebissen hat!»
«Da bin ich aber gespannt», teilte Gustelies mit, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
«Er wollte prüfen, ob
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