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Höllenknecht

Höllenknecht

Titel: Höllenknecht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ines Thorn
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heilt!»
    Schon sammelten sich auf der Gasse die Leute. Gehetzt sah sich Pater Nau nach allen Seiten um. Vergebens. Zwischen den Brandtrümmern tat sich kein Fluchtweg auf.
    «Hinweg! Habt Ihr keine Ehrfurcht im Leib? Ich gebe einem Toten den letzten Segen», rief er. «Seht Ihr das nicht? Fort mit Euch, Ihr stört seine Ruhe!»
    Sein Schimpfen richtete nichts aus.
    Eine zerlumpte Frau hielt ihm ein Kleinkind mit irren Augen und sabberndem Mund entgegen. «Heilt ihn von seiner Besessenheit», rief sie dem Pater zu. «Ich werde auch jeden Tag für Euch beten. Heilt ihn, er ist unser Einziger.»
    Der Pater sah sich wieder nach allen Seiten um, aberaußer Bruder Göck, der grinsend am Nachbarhaus lehnte, war die Straße leer. Der Antoniter schien noch immer ungehalten darüber, von Pater Nau so brüsk abgefertigt worden zu sein. Zumindest zeigte seine Miene eine Mischung aus Genugtuung und unterdrücktem Ärger.
    Ein alter Mann zerrte sein Weib an der Hand herbei. Die Frau heulte zum Gotterbarmen. «Heilt sie, Pater», rief der Greis. «Ihr Geschrei macht mich ganz krank. Gestern war ich drauf und dran, ihr den Schädel einzuschlagen.»
    Der Pater sah noch einmal auf die Menschengruppe, dann deutete er mit dem Finger auf den Büttel, der ihn abgeholt hatte und sagte: «Geht zu ihm. Der versteht auch etwas von Besessenen.» Dann raffte er seine Soutane und rannte davon, verfolgt vom schallenden Gelächter des Bruders Göck.

KAPITEL 14
    Gustelies war so aufgeregt wie schon lange nicht mehr. Arvaelo würde zum Abendessen kommen! Und Pater Nau würde auf keinen Fall stören. Sie hatte ihn zu Hella geschickt. Heute wollte sie zwei Fliegen mit einer Klappe erlegen. Liebe ging durch den Magen. Das wusste jeder, schon ihre Mutter hatte es gepredigt. Bis zum nächsten Pfarrfest war es nicht mehr lange. Endlos hatte sie überlegt, was sie ihrem Gast anbieten sollte. Schweinefleisch aß ein Sarazene nicht. Aber wollte sie nicht sowieso endlich wieder einen Hammelbraten zubereiten? Die Adventszeit war noch weit, sie würde also auf die weihnachtliche Honigglasur verzichten und es einmal mit Lavendel und Rosenblättern versuchen. Wenn das klappte! Ein herbstlicher Hammel, damit würde sie beim nächsten Pfarrfest für Furore sorgen. Auf solch eine Idee kam die «gute Haut» sicher nicht.
    Und Arvaelo würde hingerissen sein, wenn sie auf das Schweinefleisch verzichtete, obwohl er mit keinem Wort erwähnt hatte, was sein Gott ihm zu essen erlaubte und was nicht.
    Für einen Augenblick fragte Gustelies sich, was wäre, wenn ihr der Braten misslang. Ach was. Ihr war noch nie ein Essen misslungen. Im Leben, ja, im Leben hatte sie wohl viele Fehler begangen. Aber in der Küche hatte, gottlob, noch immer alles gestimmt.
    Gustelies trällerte vor sich hin, während sie den Esstisch deckte und ein paar Rosenblätter über das schwere Tischtuch streute.
    «Es geht», sang sie, «es geht ein dunkle Wolk herein, mich deucht, es wird ein Regen sein.»
    Erschrocken hielt sie inne. Sang sie da wirklich dieses himmeltraurige Lied und deckte dabei den Tisch für den Mann, bei dessen bloßem Anblick sie sich wieder jung fühlte? Aber das Lied von der dunklen Wolke war nun einmal ihr Lieblingslied. Trotzig setzte sie wieder an:
    «Es geht ein dunkle Wolk herein,
    mich deucht, es wird ein Regen sein.
    Ein Regen aus den Wolken,
    wohl in das grüne Gras.
     
    Und kommst du, liebe Sonn, nit bald,
    so weset alls im grünen Wald,
    und all die müden Blumen,
    die haben frühen Tod.
     
    Es geht ein dunkle Wolk herein,
    es soll und muss geschieden sein;
    ade, Feinslieb, dein Scheiden,
    macht mir das Herz so schwer.»
    Gustelies lauschte den Worten nach. Warum sang sie ausgerechnet dieses schwermütige Lied mit seinem Reden von Abschied und Tod so gern? Sie hasste es doch, wenn sie von einem lieben Menschen lassen musste. Und wie sie es hasste! Zuletzt war es Tom gewesen. Tom, der Musikant. Gustelies seufzte, dachte noch einmal an sein gewelltesHaar, seine wunderbaren braunen Augen und seine Stimme, die so rau und gleichzeitig weich war wie Wildseide.
    «Schluss mit den alten Geschichten», ermahnte sie sich. «Du lebst, und zwar jetzt.» Mit energischen Schritten ging sie zum Schrank, holte das gute Geschirr hervor, stellte die beiden Gläser aus Murano neben die dazugehörige Weinkaraffe, strich noch einmal über die Stoffservietten, die ordentlich gefaltet neben den Fingerschälchen lagen. Ja, mit dieser Tafel konnte sie Ehre einlegen. Gustelies nahm die

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