Höllenknecht
vergnügten Abend. Du hast es verdient.»
«Ja, Mutter, bleib hier. Jutta und ich werden schon alles in Erfahrung bringen.»
Ein zaghaftes Lächeln stahl sich auf Gustelies’ Lippen. «Meint ihr?», fragte sie.
«Ganz sicher», bestätigten die beiden.
«Aber versprecht mir, dass ihr mich zu Hilfe ruft, wenn etwas ist, ja?»
Die Frauen nickten und wandten sich zur Tür. «Wartet», rief Gustelies ihnen hinterher. Sie verschwand in dem Kellergewölbe unter der Küche. Endlich kam sie zurück und drückte Jutta eine verstaubte Radschlosspistole in die Hand. «Da, nimm sie mit. Zur Sicherheit.»
«Mutter!» Hella fielen beinahe die Augen aus dem Kopf. «Woher hast du die denn?»
«Das ist jetzt nicht wichtig», stellte Gustelies klar. «Nehmt sie einfach mit und bringt sie mir morgen wieder.»
Jutta Hinterer hatte die Pistole schon in ihren Stoffbeutel gesteckt. Sie nahm Hella bei der Hand, die noch immer wie ein Mondkalb glotzte. «Hab einen schönen Abend», sagte sie, «und mach dir keine Sorgen.» Schon klappte die Tür hinter ihr und Hella zu.
Es war Donnerstag. Und der Donnerstag war der Gerichtstag. Heute stellte Richter Heinz Blettner dem gesamten Frankfurter Rat seine Fälle vor. Die ersten drei waren leichte Sachen: ein Diebstahl, der wegen des geringen Alters des Täters nicht mit Handabschlagen, sondern nur mit Auspeitschung bestraft werden sollte. Eine Beleidigung von Nachbar zu Nachbar, bei welcher der eine nicht besser als der andere war. Zum Dritten ein Unfall. Ein Reiter hatte die blinde Mutter eines Handwerkers niedergeritten. Die Frau war dabei erheblich verletzt worden, und der Reiter wurde dazu verurteilt, dem Medicus das Honorar zu zahlen.
Nun aber kam die heikelste Sache. Der Fall des Juweliers. Richter Blettner begann: «Wir fanden im Zeitraum von vor zehn bis vor sechs Tagen einzelne Stücke einer männlichen Leiche, deren Identität als die des Leipziger Juweliers Zerfaß aufgeklärt werden konnte. Zerfaß nächtigte im Roten Ochsen und war in Messegeschäften unterwegs. Der Wirt des Roten Ochsen gab zu Protokoll, dass der Juwelier dem Frankfurter Kannengießer Hannes Eisner das Zauberbuch ‹Doktor Faustus’ dreifacher Höllenzwang› verkaufte. Am nächsten Abend sei der Kannengießer mit aufgestelltenHaaren zurück in die Herberge gekommen und habe den Juwelier einen Betrüger geschimpft, dem der Tod gebühre. Kurz darauf ist der Leipziger verschwunden, etwas später tauchten Teile seiner Leiche auf. Der Mann ist übrigens vermutlich mit einem stumpfen Schlag auf den Hinterkopf ermordet worden.» Heinz Blettner hielt eine Zeichnung hoch und erklärte das Hutkrempen-Phänomen. Dann kam er auf den Fall zurück. «Die Ermittlungen haben überdies ergeben, dass der Kannengießer, welcher das Buch gekauft hat, am Markttag gedruckte Auszüge des Werkes verkaufte, jeweils mit einem kleinen Klumpen Goldes. In derselben Nacht geriet sein Haus in Flammen. Er selbst wurde in der Ruine tot und verbrannt aufgefunden. Ich bin aufgrund der Aktenlage und der Ermittlungsergebnisse zu dem Schluss gekommen, dass der Juwelier vom Kannengießer Hannes Eisner ermordet wurde. Der Mörder verunglückte danach beim Versuch, weiteres Gold zu machen.»
Der Richter brach ab, sah auf die Ratsherren, die zustimmend nickten. Auch auf Krafft von Elckershausen fiel sein Blick. Der lächelte ihm zu, hob den Daumen der rechten Hand und tippte auf seine Ratskette. Was der Schultheiß damit wohl sagen wollte? Heinz konnte nur raten. Er holte tief Luft, schloss für einen Moment die Augen und fuhr dann fort: «Ich bin mir der Täterschaft des Kannengießers jedoch nicht so sicher, dass ich zu einem Urteil gekommen bin.»
Er brach ab, schluckte und schielte seitlich zum Schultheißen. Der schaute verkniffen drein und ließ mit kantigem Kinn die Zähne knirschen. Schnell wandte Heinz Blettner seinen Blick wieder ab.
«Darum ersuche ich die Syndici um Rechtsrat und Rechtsgutachten.»
Der Richter atmete auf. Ihm war soeben ein Stein vom Herzen gefallen. Er hatte geurteilt, wie es seinem Inneren und seinem Gewissen entsprach. Der Rüge und womöglich der Strafe des Schultheißen würde er ruhig entgegensehen. Beides konnte er verschmerzen. Aber ein falsches Urteil, bei dem vielleicht jemand zu Schaden kam? Heinz wollte nicht für alle Ewigkeit in der Hölle schmoren. Nicht wenn er gemeinsam mit seinem geliebten Weib die himmlischen Freuden hätte genießen können. Wie leicht war ihm nun ums Herz! Kaum konnte er
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