Höllenknecht
Augen. Doch sogleich brach er erneut in Gelächter aus. «Ein Weib, welches obendrein noch Eva heißt», japste er kichernd. «Gott ist ein Schelm und wir, mein Lieber, sind seine Trottel.»
«Es ist zum Junge-Hunde-Kriegen.» Heinz Blettner hob seine Aktentasche über den Kopf, um sich vor dem Regen zu schützen, und sah sich um. Er stand in der Brandruine der Kannengießergasse. Die vordere Hauswand war niedergebrochen, das Dach darüber eingestürzt und die Balken zu schwarz verkohlten Stümpfen verbrannt. Zwischen den Trümmern staken allerlei Gerätschaften. Hier ein zerbrochener Wasserkessel, dort ein Nachtgeschirr, in der Ecke Gießereiwerkzeug. Alles war mit einer schmierigen Rußschicht überzogen, sodass der Richter von vielem nur ahnen konnte, um was es sich einmal gehandelt haben mochte.
Er sah zu Arvaelo, der mit einem Stock in den Überbleibseln herumstocherte und sich sogar unter Balken und Mauerreste wagte, die vom Einsturz bedroht waren.
«Hast du schon die Nachbarn gefragt, ob sie wissen, wo der Kannengießer ist?», rief er Heinz Blettner zu. Der nahm die Tasche herunter, sah nach oben. Die dunklen Wolken waren weitergezogen, der Regen hatte aufgehört. «Wo soll er schon sein? Zu Hause wird er gewesen sein, sagen sie. Im Bett wie jeder andere anständige Bürger auch. Gesehen hat ihn heute allerdings noch niemand.»
«Gestern ist die Feuerstelle noch benutzt worden», mischte sich der Brandmeister ein. «Ich sehe es an der Art der Asche. Gestern muss er also noch da gewesen sein.»
«Hmm.» Heinz Blettner kratzte sich am Kinn. «Jeden Tag ein neues Unglück, aber eine Lösung ist nicht in Sicht. Wenn ich nur wüsste, ob der Brand hier irgendetwas mit dem Mord und dem Menschenfresser zu tun hat. Wenn ich das nur wüsste! Es könnte sein, ja das könnte es. Immerhin hat der tote Juwelier einem Kannengießer das Zauberbuch verkauft. Ob das wohl dieser hier war? Der Wirt hat ihn beschrieben. Nun, wir werden sehen.»
Er lief hinter Arvaelo her, der nun damit beschäftigt war, mehrere halbverbrannte und verkohlte Möbelstücke zu bewegen. «Ich fürchte, der Kannengießer ist hier irgendwo unter den Trümmern», gestand er dem Richter.
«Woher willst du das wissen? Noch einen Toten können wir wirklich nicht gebrauchen.»
«Komm, pack mal mit an», bat Arvaelo und wuchtete an einem verkohlten Schrank herum, der offensichtlich umgestürzt war. Die beiden Männer keuchten und stöhnten, doch sie bewegten das Möbel um keinen Fingerbreit.
«Hallo, Brandmeister, wir brauchen Euch», rief Richter Blettner und gab auch den beiden Bütteln, welche die Brandstelle von Neugierigen freihalten sollten, ein Zeichen. Zu fünft gelang es ihnen, den schweren Schrank zu verrücken. Dahinter bot sich ein schrecklicher Anblick. Einer der Büttel würgte, schlug die Hand vor den Mund und dreht sich zur Seite. Zu spät. In einem großen Schwall erbrach er seine letzte Mahlzeit. Der Brandmeister verzog das Gesicht, als habe er Schmerzen. Richter Blettner bekreuzigte sich und sprach halblaut die ersten Zeilen des Vaterunsers, während der zweite Büttel starr auf den Bodenglotzte. Dort lag eine verkohlte Leiche. Arvaelo beugte sich zu ihr, und der Brandmeister tat es ihm mit knackenden Knien gleich. «Er war früher wohl doppelt so groß», murmelte der Morgenländer und drehte den verkohlten Kopf so, dass er dem Toten ins Gesicht schauen konnte. Jetzt spürte auch Richter Blettner, wie die Übelkeit in ihm aufstieg. An dem Schädel klebten noch ein paar geschwärzte Hautfetzen. «Grauslich», raunte der Richter. «Ich mag mir nicht vorstellen, was der arme Kerl gelitten hat. Wie es scheint, muss ihm das Blut in den Adern buchstäblich gekocht haben.»
Arvaelo kniete sich nun neben den Leichnam. «Der Mann liegt da, als würde er gleich einen Schwertkampf beginnen», sagte er. «Siehst du das?»
Richter Blettner nickte. Er war blass und wollte im Augenblick lieber nicht sprechen. Der Geruch nach kaltem Rauch und verbranntem Fleisch brachte seinen Magen in Aufruhr.
«Die Hitze hat alle Muskeln schrumpfen lassen», erklärte Arvaelo. «Deshalb liegt er so da.» Er sah hoch. «Weiß jemand, ob das wirklich der Kannengießer ist?»
Heinz Blettner zuckte mit den Schultern, sah noch einmal seitlich auf das Gesicht. «Kann da überhaupt jemand noch irgendetwas erkennen?», fragte er.
Arvaelo wiegte den Kopf. «Ich kann nur sagen, dass er Mann ungefähr zwischen vierzig und fünfzig Jahren alt gewesen
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