Höllenknecht
es abwarten, bis der Gerichtstag geschlossen wurde und er zu seiner Hella zurückkehren konnte. Sie sollte erfahren, welcher Druck auf ihm gelastet hatte und wie seine Entscheidung ausgefallen war.
Fast hätte Heinz gelächelt. Gerade noch sah er, wie sich der Zweite Bürgermeister erhob.
Groß und breitschultrig kam er nach vorn, die schwere Ratskette wippte bei jedem harten Schritt. Krafft von Elckershausen musterte Richter Blettner von oben bis unten mit derselben Zuneigung, die man einem Mistkäfer entgegenbrachte. Dann schob er ihn mit einer energischen Armbewegung einfach zur Seite.
«Liebe Ratsbrüder. Ich bin der Schultheiß dieser Stadt. Ich bin der Herr über Recht und Gesetz, stehe über dem Richter. Ich bin es auch, der letztendlich die Urteile fällt. Und ich sage Euch dies. Der Kannengießer Hannes Eisner ist der Mörder des Juweliers.»
Er brach ab, sandte dem Richter einen giftigen Blick. «Als Beweis liegt die Aussage des Ochsenwirtes vor, der vor Zeugen behauptet hat, der Kannengießer habe den Juwelier töten wollen.»
Der Schultheiß richtete sich noch einmal ganz auf undsah seinen Ratsherren einem nach dem anderen in die Augen. Niemand wagte einen Widerspruch. Bis auf einen. Es war der Zunftmeister der Kannengießer, ein Ratsmitglied der niedersten Bank. Er stand auf, hielt ein Klümpchen in die Höhe. «Dies ist das sogenannte Gold, welches der Kannengießer auf dem Markt verkauft hat. Natürlich ist es nicht echt, deshalb dürfte unser Zunftmitglied ein überaus großes Geschäft damit gemacht haben. Warum also hätte er den Juwelier töten sollen? Mag sein, dass er im ersten Augenblick des Zorns unbedachte Worte geäußert hat, doch wie man sieht, hat er sich letztendlich eines Besseren besonnen und aus dem vermeintlich falschen Zauberbuch das Beste herausgeholt. Er hatte keine Veranlassung mehr, den Juwelier zu töten, denn der Schaden war ja mehr als wettgemacht.»
Der Schultheiß stand starr. Seine Kiefer mahlten. Wütend starrte er auf den Richter neben ihm. Heinz tat, als bemerkte er das nicht, stand mit hinter dem Rücken gefalteten Händen da, den Kopf gesenkt, und betrachtete interessiert die Maserung der Bodendielen.
Nun stand auch der Zunftmeister der Goldschmiede auf und mit ihm der Zunftmeister der Jäger und Präparierer. Der Goldschmied bestätigte die Einwände des Kannengießermeisters, der Jäger und Präparierer rief den Ratsmitgliedern noch einmal die Bissspuren an der Leiche ins Gedächtnis.
Daraufhin entstand ein solches Gerede und Getöse, dass der Schultheiß schließlich dem Saaldiener ein Zeichen gab. Mit dem Glöckchen läutete er zum Ende der Versammlung. Ohne ein weiteres Wort verließ Krafft von Elckershausen den Saal. Richter Blettner wartete noch einige Augenblicke. Schließlich schloss er sich dem überaus kräftigenZunftmeister der Schmiede an und verließ im Schutze von dessen breiten Schultern das Rathaus.
«Zuerst gehen wir noch einmal in das Haus des Kannengießers», entschied Jutta Hinterer. «Ich kenne die Männer zur Genüge. Niemand kann mir erzählen, dass sie wirklich gründlich suchen. Alles muss doch immer husch, husch für sie gehen. Nur beim Wein und beim Würfeln, da haben sie alle Zeit der Welt. Und wenn es noch dazu dreckig ist, dann gehen sie wie die Störche im Salat und denken nur daran, sich bloß nicht zu beschmutzen. Kind, du kannst sagen, was du willst. Solange keine Frau die Geschäfte der Stadt führt, zu der nun einmal auch die Rechtsprechung gehört, solange wird es weiter drunter und drüber gehen. Männer sind einfach zu dumm. Manchmal kann ich es gar nicht fassen. Sie glauben, wir Frauen wären weniger wert, wären dümmer! Ha! Dass ich nicht lache! Noch dümmer als sie? Das ist doch überhaupt nicht möglich. Es gibt ja wohl nicht eine Hausfrau in dieser Stadt, die sich nicht hinter dem Rücken ihres Gemahls über ihn lustig macht. Und die Männer, die merken es nicht einmal! Eingebildet und geblendet von der eigenen Großartigkeit sehen sie nicht, was um sie herum vor sich geht. Frauen dagegen, meine liebe Hella, Frauen wissen sehr wohl, was geschieht. Aber ihr Platz ist in der Küche, sagen die Männer. Im Kochtopf rühren sollen sie. Ja. Und dabei sind die Frauen die, die eigentlich dafür sorgen, dass sich das Rad der Geschichte weiterdreht.»
«Hmm», machte Hella, ließ Jutta Hinterer weiter schwadronieren und versank ins Grübeln. «Wir sollten an der Postkutschenstation nachfragen», sagte sie schließlich.
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