Höllenknecht
«Aber nicht nur dort. Auch bei den Warenkolonnen, vondenen die ersten ja schon die Messe verlassen haben, sollten wir nachforschen.»
«Mal langsam mit den jungen Pferden. Zuerst gehen wir in dieses verfluchte Brandhaus.» Jutta Hinterer schüttelte sich allein bei dem Gedanken an den Gestank dort. «Und dann sehen wir weiter.»
Die Leiche war schon längst davongeschafft worden. In der Nähe der Brandruine lungerten ein paar Gestalten herum, die wohl zu gerne die Trümmer nach Brauchbarem abgesucht hätten. Aber noch wurde das Haus von den Bütteln bewacht, noch war kein Urteil gefallen. War der Kannengießer der Mörder, so stand sein Nachlass dem Henker zu. Niemand in dieser Stadt, nicht einmal das größte Schlitzohr, würde es sich ausgerechnet mit ihm verderben wollen, indem er etwas nahm, das dem Henker zustand.
Als sich die beiden Frauen näherten, rückten die Wächter zusammen. «Halt, das Gelände darf niemand betreten.»
Jutta Hinterer trat ganz dicht zu dem jungen Büttel heran und kniff ihn herzhaft in die Wange. «Und wer will mich daran hindern, Jüngelchen? Ich bin nicht zum Spaß hier, das kannst du mir glauben. Oder meinst du, eine ordentliche Frau würde sich freiwillig in diesen Saustall hier begeben? Antworte, Bub.»
Der Büttel schluckte. Es war ganz offensichtlich, dass er sich dieser Frau nicht gewachsen fühlte.
«Wenn … wenn Ihr im Auftrag des Richters hier seid, dann … dann kann ich Euch nicht daran hindern, die Brandstelle zu betreten. Schließlich seid Ihr ja in Begleitung der Richtersfrau.»
«Ganz richtig, mein Sohn. Und jetzt geh mal zur Seite. Wenn du noch Fragen hast, kannst du gern einmal zu mir kommen.» Jutta Hinterer war schon an dem Büttel vorbei.Über die Schulter rief sie ihm zu: «Ach, Bub, und sieh zu, dass du uns die Gaffer vom Leib hältst, ja?»
«Jawohl, Herrin!», rief der Wächter.
Jutta kicherte. «Hast du das gehört? Herrin hat er zu mir gesagt.»
«Wie Ihr ihn angefahren habt, hätte ich Euch auch Herrin genannt und zum Herrn gebetet, dass er diesen Kelch an mir vorübergehen ließe.»
Jutta kicherte noch immer. Dann wurde sie ernst. «Das Wohnhaus lassen wir außer Acht. Dort haben andere schon gewühlt. Ich glaube nicht, dass wir dort etwas Neues finden. Wir sollten uns die Nebengebäude vornehmen.»
Sie schob einen halbverkohlten Stuhl, der mit den Beinen nach oben lag, zur Seite, drängte sich an einem herabgestürzten Balken vorbei, bückte sich nach etwas Metallenem, das sie gleich darauf wieder achtlos fallen ließ, und stand endlich auf dem Hof. An das Wohnhaus schlossen sich rechts und links zwei langgestreckte Nebengebäude an. Die beiden einstöckigen Häuser waren nicht besonders gut gepflegt. Links waren die Fensteröffnungen mit Brettern vernagelt, rechter Hand zogen sich fingerbreite Risse über den verrußten Putz.
«Na, wie das Zuhause eines Goldmachers sieht das hier wirklich nicht aus», stellte die Hintererin fest.
Jetzt kicherte Hella. «Er hat das Zauberbuch eben noch nicht lange genug gehabt.»
Jutta griff sich einen dicken Knüppel, der mitten auf dem Hof lag, und hieb geben die Holztür.
«Was soll das? Vielleicht ist die Tür ja offen.»
«Mag sein. Ich habe aber keine Lust, von Ratten angefallen zu werden. Deshalb mache ich Krach. Um sie zu vertreiben.»
Hella zog die Augenbrauen zusammen. Jutta Hinterer hatte Angst vor Ratten? Sie hatte nicht gewusst, dass es überhaupt etwas auf dieser Welt gab, das der Freundin ihrer Mutter Angst machen könnte.
Die Tür sprang auf und schlug krachend nach innen gegen die Wand. Jutta sah sich aufmerksam um, dann winkte sie Hella und betrat energisch das Nebengebäude. «Finster wie in einem Bärenarsch», stellte sie fest, hob eine Eisenstange vom Boden auf und hebelte fachgerecht an dem Brett, das das Fenster verdeckte, herum. Das Holz knirschte und splitterte, dann war das Fenster frei. Licht fiel herein und brachte den Staub zum Tanzen.
«Puh», stöhnte Jutta und wischte sich eine Spinnwebe von der Stirn. «Ich sage es ja. Männer sind Schweine. Guck dir nur mal an, wie es hier aussieht.»
Hella nickte und sah sich um. Überall lag der Staub fingerdick, Spinnen hatten ihre Netze von Balken zu Balken gezogen und sich auch die Ecken untertan gemacht. Beschädigtes Mobiliar stand neben zerbrochenen Tongefäßen und zersplitterten Weidenkörben. Dunkel angelaufene Zinngefäße dämmerten im Halbdunkel ihrem Zerfall entgegen, daneben standen Holztröge und
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