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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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ich in ein leeres Haus kam.
    Ich war erst acht, als meine Eltern starben, und es gibt so vieles, das ich nicht über sie weiß. Ich vermute, dass sie glücklich miteinander waren. In meinen Erinnerungen an sie scheint immer die Sonne, was sicher etwas zu bedeuten hat. Ich sehe immer noch unser Haus und den Garten mit dem großen Rosenbusch auf dem Rasen. Manchmal kann ich die Blumen sogar riechen.
    James und Kate Freeman. Das waren ihre Namen. Sie starben bei einem Autounfall auf der Fahrt zu einer Hochzeit. Das Verrückte ist, dass ich es schon vorher wusste. Ich habe geträumt, dass ihr Auto von einer Brücke in einen Fluss stürzt, und als ich aufwachte, wusste ich, dass sie beide sterben würden. Doch ich habe es ihnen nicht gesagt. Ich wusste, dass mein Dad mich ausgelacht hätte. Also habe ich so getan, als wäre ich krank. Ich habe geweint und mich geweigert, sie zu begleiten. Ich habe sie gehen lassen, aber dafür gesorgt, dass sie mich nicht mitnahmen.
    Ich hätte sie retten können. Das sage ich mir immer wieder. Vielleicht hätte mein Dad mir nicht geglaubt. Vielleicht hätte er darauf bestanden, zu fahren, egal, was ich sagte. Aber ich hätte Farbe über das Auto kippen können oder sonst etwas. Ich hätte es sogar in Brand stecken können. Es hätte genügend Möglichkeiten gegeben, dafür zu sorgen, dass sie zu Hause bleiben.
    Aber ich war zu feige. Ich hatte eine besondere Fähigkeit und war damit anders als alle anderen, und das war das Letzte, was ich sein wollte. Matt, der Freak… Nein, vielen Dank. Also sagte ich nichts. Ich blieb zurück und sah ihnen nach. Seitdem habe ich das Auto zigtausend Mal wegfahren sehen und mein achtjähriges Selbst angeschrien, doch etwas zu unternehmen, und mich für meine eigene Blödheit gehasst. Wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, wäre das die Stelle, an die ich zurückkehren würde, weil ab hier alles schiefgelaufen ist.
    Danach ging alles recht schnell. Ich war Pflegekind bei einer Frau namens Gwenda Davis, die irgendwie mit meiner Mutter verwandt war – ihre Halbschwester oder etwas in der Art. Die nächsten sechs Jahre lebte ich bei ihr und ihrem Lebensgefährten Brian in einem Reihenhaus in Ipswich. Ich hasste sie beide. Gwenda war oberflächlich und egoistisch, aber Brian war schlimmer. Zwischen ihnen kam es immer wieder zu etwas, das – soweit ich weiß - als »häusliche Gewalt« bezeichnet wird, was im Klartext bedeutet, dass er sie geschlagen hat. Und nicht nur sie. Ich hatte Angst vor ihm, das gebe ich ehrlich zu. Manchmal hat er mich auch auf so komische Weise angesehen, dass ich nachts immer mein Zimmer abgeschlossen habe.
    Aber etwas ist merkwürdig: In gewisser Weise war ich in Ipswich beinahe glücklich. Manchmal habe ich es als verdiente Strafe für das angesehen, was ich getan – oder nicht getan – hatte. Ich hatte mich mit diesem Leben abgefunden. Ich wusste, dass es nicht mehr besser werden würde, aber wenigstens konnte ich mir eine neue Identität zulegen. Ich konnte jeder sein, der ich sein wollte.
    Ich schwänzte die Schule. Ich würde ohnehin nie eine Prüfung bestehen, wozu sollte ich also hingehen? Ich klaute in Geschäften und fing mit zwölf an zu rauchen. Mein Freund Kelvin kaufte mir meine erste Schachtel Marlboro Light – und ließ mich natürlich doppelt so viel dafür bezahlen, wie sie gekostet hatte. Ich habe nie Drogen genommen. Aber wenn ich länger sein Freund geblieben wäre, hätte ich es vermutlich irgendwann getan. Dann wäre ich wohl so geendet wie die Jugendlichen, über die man immer in der Zeitung liest, die an einer Überdosis gestorben sind und an irgendeinem Bahnhof gefunden werden. Das hätte niemanden gekümmert, mich am wenigsten.
    Aber dann kam Jayne Deverill und plötzlich änderte sich alles, weil sich herausstellte, dass sie eine Hexe war. Ich weiß, wie verrückt das klingt. Ich kann nicht glauben, dass ich das gerade geschrieben habe. Aber sie war keine Hexe aus dem Fernsehen. Sie hatte keine lange Nase oder einen spitzen Hut oder so was. Sie war echt: böse, grausam und auch ein kleines bisschen verrückt. Sie und ihre Freunde hatten mich schon länger beobachtet und darauf gewartet, dass ich ihnen in die Hände fiel, weil sie mich brauchten, um ein mysteriöses Tor mitten im Wald von Yorkshire zu öffnen. Und plötzlich stellte sich heraus, dass ich doch nicht nur ein vorbestrafter Loser war, der seine Eltern hatte sterben lassen. Ich war einer der Fünf. Ein Torhüter. Der Held einer

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