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Hoellenpforte

Hoellenpforte

Titel: Hoellenpforte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Horowitz
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vollkommen egal, wie viele Gestaltwechsler auf dem Weg zum Gipfel waren. Sie würde sich nicht von zwei Leuten, die sie nie zuvor gesehen hatte, in einen Kofferraum sperren und wer weiß wohin karren lassen. »Das können Sie vergessen…«, begann sie.
    Blitzschnell holte der Mann etwas aus seiner Tasche und packte sie. Scarlett spürte, wie er ihr ein Taschentuch aufs Gesicht presste. Sie trat um sich und versuchte, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber er war zu stark. Die Dämpfe irgendeiner süßlich schmeckenden Chemikalie drangen ihr in Mund und Nase. Fast sofort war sie vollkommen kraftlos. Sie merkte noch, wie ihre Beine unter ihr nachgaben und die Welt sich plötzlich drehte. Dann fiel sie und wurde in den Kofferraum befördert, den sie jetzt nur noch als riesiges schwarzes Loch wahrnahm, das nur darauf wartete, sie zu verschlingen.
    Das Ende kam sehr schnell. Dunkelheit. Panik. Und dann die willkommene Leere des Schlafes.

LOHAN
    Sie war in einem Käfig, aber sie lag nicht, sondern stand aufrecht. Und da war noch etwas Komisches. Die Wand bewegte sich. Sie schien vor ihren Augen abwärts zu rollen. Oder war sie es, die sich aufwärts bewegte?
    Als ihr Bewusstsein allmählich zurückkehrte, erkannte Scarlett, was los war. Sie war in einem Fahrstuhl, einem dieser altmodischen, die statt einer Tür ein faltbares Eisengitter haben. Was sie sah, war das Mauerwerk zwischen den Stockwerken eines offensichtlich sehr hohen Gebäudes. Rechts und links von ihr standen der Japaner und der andere, den sie insgeheim Papiergesicht nannte. Die beiden stützten sie. Sie schmeckte immer noch die Droge, die sie betäubt hatte.
    Scarlett stöhnte und die Männer verstärkten sofort ihren Griff. In dem engen Aufzug konnte sie zwar nicht viel ausrichten, aber nach ihrem Widerstand am Auto wollten die beiden kein Risiko mehr eingehen.
    »Du bist hier sicher«, sagte Papiergesicht.
    »Wo bin ich?«
    »Das wirst du gleich erfahren.«
    Der Aufzug wurde langsamer, dann stoppte er und der Japaner riss die Gittertür auf. Sie landeten in einem langen, matt erleuchteten Flur, dessen Wände entweder sehr schmierig oder absichtlich in einer Schmutzfarbe gestrichen waren. Alle paar Meter war eine Tür. Das Ganze sah aus wie ein billiges Hotel.
    Bewacht wurde der Flur von einem Chinesen, der ein Maschinengewehr im Arm hatte. Dieser Anblick kam Scarlett vollkommen verrückt vor – wie eine Szene aus einem Gangsterfilm. Aber der Mann sah kein bisschen so aus, wie sie sich einen Gangster vorstellte. Er trug Jeans und das Hemd hing ihm über die Hose. Außerdem war er knochig, hatte ein mickriges Bärtchen, eine Tätowierung am Hals und einen Goldzahn vorn im Mund, wo er nicht zu übersehen war. War er vielleicht Drogenhändler? Jedenfalls war es schwer, sich vorzustellen, dass er auf ihrer Seite sein sollte.
    Die beiden Männer führten sie zu einer Tür. Papiergesicht klopfte und die Tür wurde von innen entriegelt. Sie traten ein. Der Typ mit dem Maschinengewehr blieb, wo er war, und bewachte den Aufzug.
    Scarlett fand sich in einer großen, fast leeren Wohnung wieder, die aussah, als wäre erst kürzlich jemand aus- oder eingezogen. Es gab ein paar Möbelstücke, die zum Teil abgedeckt waren, aber nichts Wohnliches: keinen Teppich, keine Lampenschirme, keine Bilder an den Wänden. Die Fenster waren mit Papier verklebt. Scarlett fragte sich, warum. Anscheinend waren sie doch sehr weit oben, also konnte niemand hineinsehen.
    Ein weiterer Mann hatte auf ihre Ankunft gewartet. Auch er war Chinese, aber in einem grauen Anzug und einem grauen TShirt ordentlicher gekleidet als die anderen. Alles an ihm strahlte Zuversicht und Führungsstärke aus. Ob er der Anführer war? Er musterte Scarlett kurz. Seine Augen waren sehr dunkel, fast schwarz – und sie verrieten nichts. Er hatte eine dünne Narbe, die hoch oben auf seiner linken Wange begann und sich diagonal über seine Lippen erstreckte, wodurch es aussah, als würden die beiden Hälften seines Gesichts nicht ganz zusammenpassen, ähnlich einem Spiegelbild in einem zerbrochenen Spiegel. Trotzdem sah er nicht schlecht aus. Scarlett vermutete, dass er kaum älter als zwanzig war.
    »Wie geht es dir?«, fragte er. »Die Ereignisse haben dir bestimmt große Angst gemacht. Aber leider ging es nicht anders.«
    »Wer sind Sie?«, wollte Scarlett wissen. »Wo bin ich und wer sind diese Leute? Was wollen Sie von mir? Und was war das mit Mrs Cheng? Die haben gesagt, sie war ein Gestaltwechsler.

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