Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Wunsch verstanden hatte.
»Es könnte
allerdings auch sein, dass der Kerl, der Viola umbringen wollte, und Bernd Ahrens
gemeinsame Sache machen.«
»Das kann
ich mir nicht vorstellen. Die Spuren, von denen wir wissen, deuten alle auf einen
Einzeltäter hin; sowohl bei Zeislinger und Kratzer wie auch bei den beiden getöteten
Männern.«
»Auch wieder
wahr. Aber vergessen wir nicht, dass der Kerl, als er Viola vermöbelt und gewürgt
hat, so Sachen wie ›Augeum Auge, Zahn um Zahn‹ gesagt hat. Und das ist für
mich ein ziemlich deutlicher Hinweis darauf, aus welcher Ecke die ganze Sache kommt.«
»Du meinst
damit, ein anderer, ein Dritter, nimmt Rache an Wesselings Umfeld für das, was Bernd
Ahrens’ Familie zugestoßen ist? Wer sollte das sein?«
»Vielleicht
einer von seinen Kumpels aus diesem merkwürdigen Bibelkreis, was weiß ich.«
Lenz schüttelte
angewidert den Kopf.
»Und ich
war immer der Meinung, dass Christen so friedliebende Leute sind. Wenn es wirklich
so wäre, dass die Bande damit was zu tun hat, wäre mein Austritt aus der Kirche
noch nach 30 Jahren absolut gerechtfertigt.«
»Du bist
schon vor 30 Jahren ausgetreten? Alle Achtung! In welcher Abteilung warst du denn
organisiert?«
»Ach, das
tut doch gar nichts zur Sache. Katholen, Protestanten, ist doch am Ende alles die
gleiche Wichse.«
»Wahr gesprochen,
großer Meister. Aber diese Erkenntnis hilft uns im Augenblick auch nicht so richtig
weiter. Wollen wir nun unseren Arbeitstag beenden, oder sollen wir vorher noch der
›Bibeltreuen Gemeinschaft Kassel‹unsere Aufwartung machen?«
Lenz sah
seinen Kollegen völlig entgeistert an.
»Ich würde
gern, Thilo, aber ich bezweifle ernsthaft, dass ich es noch schaffe, weil mir sonst
das Bein abfällt. Lass uns das auf morgen verschieben, bitte.«
»Das können
wir gern machen, aber ich habe gerade darüber nachgedacht, was passiert, wenn Ahrens
im Verlauf der Nacht erneut probieren sollte, sich das Leben zu nehmen, und es am
Ende auch schafft. Vielleicht erwischen wir ihn gerade jetzt bei seinen Bibelleuten
und können ihn davon abhalten.«
»Du bist
manchmal ein völlig beknackter Partner, Thilo«, knurrte Lenz, nachdem er eine Weile
über Hains These nachgedacht hatte. »Ich weiß, dass du sowieso hinfährst, also kann
ich gleich Ja sagen.«
»Gute Entscheidung.
Klar würde ich noch hinfahren, auch ohne dich, aber mit dir an meiner Seite ist
es mir entschieden lieber.«
»Soll mich
das trösten?«
»Nimm es,
wie du es brauchst.«
*
Das Haus, in dem laut Adresse die
›Bibeltreue GemeinschaftKassel‹ zu finden war, befand sich im Hinterhof
einer Getränkegroßhandlung. Als Hain seinen Kombi auf den Hof lenkte, kreuzte ein
Gabelstapler seinen Weg, dessen Fahrer eine Ladung Mineralwasser zu einem gegenüberstehenden
LKW transportierte. Beide erschraken für einen Moment, dann grinsten sie sich an.
Der Polizist ließ die Seitenscheibe nach unten gleiten.
»Gehören
Sie zufällig zur ›Bibeltreuen GemeinschaftKassel‹?«
Der Fahrer
des Gabelstaplers lachte laut los und ließ dabei den Motor seines Gefährts absterben.
»Sind Sie
noch bei Trost? Ich rauche, trinke, liebe das Leben, und mit der Monogamie habe
ich es auch nicht so. Was sollte ich also mit denen anfangen? Oder die mit mir?«
Die Polizisten
erwiderten sein Lachen.
»Ich dachte
nur«, antwortete Hain.
»Nee, wirklich
nicht.«
Er deutete
auf einen Klinkerbau im Hintergrund.
»Dort drüben
werde Sie fündig.«
Sein Kopf
senkte sich und beäugte die beiden Männer im Wagen.
»Ihr beide
wollt doch wohl nicht bei denen mitmachen, oder?«, fragte er entgeistert.
»Doch, vielleicht.
Am Ende liegt die Erleuchtung wirklich im Glauben?«
»Dann viel
Spaß dabei.«
Er wollte
seinen Stapler wieder starten, doch Hain gab ihm mit einem Zeichen zu verstehen,
dass er warten solle.
»Gibt’s
noch was?«
»Ja. Wir
sind auf der Suche nach einem Mann mit verletzter Nase; vielleicht ist sie auch
geschwollen oder verbunden.«
Wieder senkte
der Staplerfahrer seinen Kopf, um beide Insassen des Wagens sehen zu können.
»Was seid
ihr denn für komische Vögel? Einen Mann mit verbundener Nase sucht ihr? Hab ich
keinen gesehen.«
»Na, hätte
ja sein können.«
»Nee.«
Damit ließ
er den Motor wieder anlaufen und rollte an Hains Auto vorbei, wobei er ein paar
eindeutige Gesten in dessen Richtung machte, die wohl besagen sollten, dass er die
beiden Gestalten auf den Vordersitzen des Kombis für ziemlich merkwürdige
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