Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
einen übervollen Terminkalender hatte, und geht weder
an den Anschluss zu Hause noch an sein Mobiltelefon.«
»Und was
hat sie jetzt von dir erwartet?«, fragte Lenz eher rhetorisch. »Dass du ihr sagen
kannst, wo er steckt?«
»Ich glaube,
die Frau ist einfach nur verzweifelt, Paul. Aber ich kann ihr nun leider nicht mehr
helfen.«
»Was mich
auch gewundert hätte. Kam so was öfter vor, als ihr noch verheiratet wart?«
Maria dachte
eine Weile nach.
»Öfter wäre
zu viel gesagt, aber es gab so Zeiten, da ist der Gute einfach mal für ein paar
Stunden abgetaucht und war praktisch unauffindbar.«
»Interessant.«
»Ja, fand
ich auch. Aber es hat mich wirklich nicht interessiert, wo er sich herumgetrieben
hat. Für die arme Frau Ballmeier war das schon eher peinlich, wenn sie mal wieder
Termine verschieben oder einfach absagen musste.«
»Und du
hast wirklich keine Ahnung, wo er sich zu diesen Zeiten herumgetrieben hat?«
»Wer treibt
sich rum?«, kam Hain, der offenbar seinen Anruf erledigt hatte und wieder neben
den beiden auftauchte, ihrer Antwort zuvor.
»Schoppen-Erich
ist verschwunden«, klärte Lenz ihn auf und nahm dabei Bezug auf den in der Stadt
gebräuchlichen Spitznamen des OB.
»Wie – verschwunden?«
»Na – weg.«
»Das sollte
mich wundern, wenn so ein Klotz von einem Menschen einfach verschwinden würde. Obwohl,
eine gewisse Begeisterung …«
Er beließ
es bei der Andeutung, dass seine Sympathien für den OB eher mit homöopathischen
Maßstäben gemessen werden konnten.
»Und was
bedeutet das jetzt?«, fuhr er stattdessen fort. »Sollen wir nach ihm suchen?«
»Nein, das
nicht«, widersprach Maria. »Seine Sekretärin ist nur ziemlich verzweifelt, weil
sie ihn einfach nicht erreichen kann. Und dass er sich bis zum Abend nicht bei ihr
gemeldet hat, sagt sie, sei definitiv noch nie vorgekommen.«
»Vielleicht
ist ihm ja wirklich was passiert«, gab Lenz zu bedenken. »Ich meine, gesundheitlich,
und er liegt nun hilflos in seinem Haus rum.«
»Oh ja,
vielleicht ein netter kleiner Schlaganfall«, setzte Hain den Gedanken seines Chefs
farbenfroh um.
»Thilo!«,
wurde er halbherzig von Maria getadelt.
»Ja, ja,
schon gut, mit so was macht man keine Scherze. Soll ich mal bei ihm vorbeifahren
und durch die Fenster sehen, ob irgendwo sein Walrosskörper auf dem Boden liegt?«
»Das würdest
du machen?«, zeigte sich Maria hellauf begeistert.
»Klar.«
»Und ich
komme mit«, entschied Lenz spontan.
Maria sah
ihn verständnisvoll an.
»Eine bessere
Ausrede als die hättest du vermutlich nicht finden können, um dich mal wieder dem
ach so langweiligen Kunstbetrieb zu entziehen«, grinste die Exfrau des vermissten
OB.
»Nein, wirklich,
was du immer von mir denkst, Maria«, gab der Hauptkommissar mit gespielter Empörung
zurück.
»Sie sind
da, Maria!«, ertönte die aufgeregte Stimme von Bettina Reichelt.
»Na los,
dann haut schon ab, ihr zwei Helden.«
Das Haus des Oberbürgermeisters
im Stadtteil Oberzwehren lag am Ende einer ruhigen Spielstraße. Vor dem Grünstreifen,
der das Gebäude vom Bürgersteig trennte, gab es eine Reihe mannshoher portugiesischer
Lorbeersträucher, die als Sichtschutz dienten. Lenz, der im Wagen sitzen geblieben
war, sah seinem Kollegen dabei zu, wie der zunächst ebenso lange wie erfolglos auf
die Klingel drückte, um ihn danach aus den Augen zu verlieren. Es dauerte etwa drei
Minuten, bis der Oberkommissar wieder auftauchte.
»Was entdeckt?«
»Ach was,
nicht die Bohne. Aber man kann auch nicht in jedes Fenster reinsehen, bei mehreren
sind die Rollläden unten.«
»Hast du
die Türen gecheckt?«
»Ja, die
sind alle fest verschlossen.«
»Und auch
sonst nichts Auffälliges?«
»Mitten
im Garten liegt völlig unmotiviert eine Gießkanne rum, was irgendwie komisch aussieht,
aber vermutlich ohne jegliche Bedeutung ist.«
»Dann«,
seufzte Lenz, »können wir leider nicht mehr tun. Also, lass uns zurück zur Galerie
fahren.«
Hain zögerte.
»Ich könnte
einen Blick ins Haus werfen, was meinst du?«
»Ich meine,
dass du völlig meschugge bist, wenn du auch nur daran denken solltest, mit Hilfe
deiner Einbruchswerkzeuge in Schoppen-Erichs Haus einzudringen. Es gibt keinen,
aber auch wirklich keinen einzigen Grund, der das rechtfertigen würde.«
Er deutete
auf das mondäne Anwesen.
»Stell dir
nur mal vor, du bist da drin, und er kommt fröhlich angefahren. Vor dem Haus in
einem Wagen sitzt der Mann, der ihm die Frau ausgespannt hat, und in
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