Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Norden abgehauen sind«, fasste Hain schließlich
zusammen. »Nachdem sie die Landesgrenze überfahren hatten, waren wir aus der Sache
raus.«
»Aber ihr
habt doch noch mit den Göttinger Kollegen zusammengearbeitet, oder?«
Hain verzog
angewidert das Gesicht.
»So würde
ich das nicht nennen. Tenhagen, der alte Kotzbrocken, hat die Sache an sich gerissen
und uns wissen lassen, dass er unsere Hilfe nicht in Anspruch nehmen will. Außerdem,
so hat er mir erklärt, habe er die relevanten Informationen über die beiden Bankräuber
schon am Fernseher mitbekommen.«
Der Oberkommissar
sprach vom Leiter des Göttinger Kommissariats für Gewaltdelikte, Werner Tenhagen.
»Der Mann
war ein Arschloch, ist ein Arschloch und wird immer ein Arschloch bleiben«, fuhr
er fort.
»Da wirst
du von mir keinen Widerspruch hören, Thilo.«
»Schön.«
Lenz sah
auf die Uhr an der Wand.
»Schon halb
fünf. Lass uns mal losfahren. Ich will zu Maria in die Galerie, bei der hat sich
für sechs Uhr die Documenta-Leiterin samt kompletter Entourage angesagt.«
»Und was
hat das mit dir zu tun?«, wollte Hain irritiert wissen.
»Gar nichts,
ich will einfach die Hand meiner Frau halten. Die neigt nämlich in solchen Situationen
zu einer gewissen Nervosität, die heute wahrscheinlich noch dadurch gesteigert wird,
dass ihr Exmann, unser aller Schoppen-Erich, sich im Tross der Kunstsinnigen befinden
wird. Der ist, wie du sicher weißt, in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister
der Stadt Kassel auch Aufsichtsratschef der Documenta-Gesellschaft.«
»Ich kann
mich dunkel erinnern, ja. Meinst du, es gibt Ärger, wenn die beiden sich über den
Weg laufen?«
»Was weiß
ich«, erwiderte Lenz, drückte sich umständlich im Stuhl hoch und griff nach den
Krücken.
»Du zahlst«,
fügte er fröhlich hinzu und begann, sich auf den Weg zu Hains Wagen zu machen.
Maria wirkte deutlich angespannt,
als die beiden kurz darauf die Galerie betraten, freute sich jedoch sehr, ihren
frisch gebackenen Ehemann und seinen Kollegen zu sehen.
»Hallo,
Thilo«, wandte sie sich ihm zu, nachdem Lenz einen dicken Kuss von ihr auf den Mund
gedrückt bekommen hatte. »Willst du auch einen kulturell geprägten Abend verbringen?«
»Gott bewahre«,
erwiderte der junge Polizist lachend, »das ist nun wirklich nicht mein Spezialgebiet.
Ich spiele quasi nur den Transporter für deinen Mann.«
»Da sage
ich ganz herzlich danke, weil er sonst die Straßenbahn hätte nehmen müssen.«
»Ich hätte
mir auch ein Taxi leisten können«, maulte Lenz.
»Klar hättest
du das«, stimmte Maria ihm zu, »aber so ist es mir bedeutend lieber. Und vielleicht
kann ich Thilo sogar noch in die, seiner Meinung nach, Niederungen der Gegenwartskunst
entführen und ihm einen kleinen Vorgeschmack geben auf das, was in den nächsten
drei Monaten hier stattfindet.«
Hain machte
ein unglückliches Gesicht.
»Ich weiß
wirklich nicht, Maria …«
»Aber du
bleibst schon noch, bis die Großkopferten hier durchmarschiert sind, oder? Bitte,
sag ja.«
Der Oberkommissar
sah auf seine Uhr, legte die Stirn in Falten und nickte schließlich.
»Wie könnte
ich dir etwas abschlagen? Ich muss nur zu Hause anrufen, damit Carla sich keine
Sorgen macht.«
»Das mach
mal. Und grüß sie ganz …«
»Maria«,
ertönte die Stimme von Bettina Reichelt, Marias Geschäftspartnerin, die auf die
kleine Gruppe zukam und die Polizisten zur Begrüßung mit einem Lächeln bedachte,
»kannst du mal bitte ans Telefon gehen? Die Stadtverwaltung will dich sprechen.«
»Die Stadtverwaltung?«
»Ja.«
»Aber es
ist nicht Erich?«
»Nein, den
hätte ich abgewimmelt. Schlimm genug, dass der gleich persönlich hier aufschlagen
wird.«
Maria ließ
ihren Mann mit einem Schulterzucken stehen und ging mit schnellen Schritten in einen
kleinen Nebenraum, wo sie nach dem Mobilteil eines Telefons griff. Lenz konnte beobachten,
dass sie während des etwa einminütigen Gesprächs mehrfach mit den Schultern zuckte.
Dann legte sie das Gerät zur Seite und kam, nachdenklich dreinblickend, zurück.
»Alles klar?«,
wollte der Hauptkommissar wissen.
»Mit mir
schon, ja«, gab sie ein wenig verstört zurück. »Aber offenbar scheint etwas mit
Erich, meinem Exmann, nicht zu stimmen.«
»Wer sagt
das?«
»Frau Ballmeier,
seine Sekretärin, die mich gerade angerufen hat. Sie ist völlig aufgelöst und befürchtet
ernsthaft, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Er ist den ganzen Tag nicht im
Rathaus aufgetaucht, obwohl er
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