Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Fäden mit dem
Rest des Kleidungsstücks verbunden. Wichtiger als all diese Merkmale allerdings
war für den Kripomann, dass Zimmermanns Nase ganz offensichtlich in den letzten
Stunden einen bösen Treffer abbekommen hatte. Hain zog mit einer schnellen Bewegung
seine Dienstwaffe aus dem Holster und richtete sie auf den Pastor.
»Nehmen
Sie die Hände hoch, Herr Zimmermann!«, forderte er den Mann in der Tür so sachlich
wie möglich auf.
Margarethe
Zimmermann riss die Augen auf und starrte für ein paar Sekundenbruchteile auf die
Pistole, die ihren Mann bedrohte.
»Hilfe!«,
schrie sie dann auf. »Hilfe, er will meinen Mann erschießen.«
Damit warf
sie sich mit ihrem nicht unerheblichen Gewicht nach vorn, versetzte dem Arm des
Polizisten einen Stoß, drehte den Körper nach rechts, fletschte die Zähne und biss
Hain mit voller Kraft in den rechten Unterarm. Im gleichen Augenblick, in dem die
Frau Blut in ihrem Mund schmeckte, brüllte der Oberkommissar gequält auf, öffnete
die Hand und ließ die Waffe fallen.
»Sind Sie
völlig meschugge?«, schrie er die Frau an, deren Zähne noch immer in sein Fleisch
verbissen waren und die keine Anstalten machte, sich von ihm lösen zu wollen. Er
zerrte an ihren Haaren, riss sie am Ohr, doch es nützte nichts. Sie lockerte den
Druck ihrer Kaumuskeln kein Jota. Das änderte sich erst, als eine donnernde Stimme
aus dem Hintergrund sich einschaltete.
»Aufhören!«
Sofort lockerte
sich der Biss, und sie hob den Kopf. Auch Hain blickte nach links, wo Konrad Zimmermann
an der gleichen Stelle stand wie zuvor. Die einzige sichtbare Veränderung betraf
die Pistole, die er nun in der Hand hielt.
»Aber Konrad …«, flüsterte
Bernd Ahrens, und in seiner Stimme lag etwas zutiefst Beunruhigtes.
»Halt deinen
Mund!«, fauchte Zimmermann ihn leise, aber mit sehr viel Nachdruck an. »Und du,
Greta, erklärst mir, was hier los ist. Aber erst hebst du die Pistole auf.«
Die Frau
tat, was er von ihr verlangte.
»Er ist
von der Polizei und wegen Bernd hier. Und ich verstehe überhaupt nicht, warum er
mit seiner Waffe auf dich gezielt hat.«
Hain, der
sich seinen blutenden und pochenden Arm hielt, fixierte Zimmermann.
»Los, sagen
Sie es Ihrer Frau. Erklären Sie ihr, was Sie für einen Privatkrieg geführt haben.«
»Halten
Sie den Mund. Gar nichts werde ich erzählen.«
»Auch gut«,
schob der Polizist hinterher. »Spätestens vor Gericht werden Sie vermutlich Ihre
Meinung ändern müssen.«
Der Mann
in der Tür hob den Lauf der Waffe in seiner Hand um ein paar Millimeter an, sodass
er direkt auf Hains Gesicht zielte.
»Seien Sie
still!«
»Was hast
du getan, Konrad?«, wollte nun Bernd Ahrens wissen. »Was hast du Schlimmes getan,
dass dieser Polizist seine Waffe auf dich gerichtet hat?«
»Was ich
getan habe?«, schrie Zimmermann ihn an. »Ich habe dafür gesorgt, dass deine Frau
und dein Kind das Paradies betreten können. Dass es ihnen dort, wo sie sind, gut
geht.«
»Ich verstehe
nicht ganz.«
»Das musst
du nicht. Hauptsache, ich weiß, was ich tue.«
»Er hat
mehrere Menschen getötet«, erklärte Hain dem Witwer. »Menschen aus dem Umfeld von
Maik Wesseling. Völlig unbeteiligte Menschen.«
Ahrens schluckte.
»Wesseling?
Der Mann, der …«
»Genau der,
ja.«
»Aber …«
»Was, aber?
Ein Auge für ein Auge, einen Zahn für einen Zahn. Das hat der Herr uns vorgegeben
und ich sehe darin nichts Schlechtes. Dieser Mann hat dir deine Familie genommen,
Bernd!«
»Und wenn?
Berechtigt dich das dazu, Rache zu üben?«
»Es berechtigt
den Herrn, Rache zu üben, und ich bin sein Werkzeug gewesen.«
Bernd Ahrens
trat einen Schritt nach vorn, doch Zimmermann scheuchte ihn zurück.
»Bleib,
wo du bist!«
»Und wenn
nicht? Willst du mich dann auch erschießen?«
»Zweifle
besser nicht daran, dass ich dazu fähig wäre, du undankbarer Lump.«
»Und dann?
Erschießt du den Polizisten hier und danach seinen Kollegen, der in der Küche sitzt?«
Einen Moment
lang zeichnete sich in Zimmermanns Mimik Unsicherheit ab.
»Du bluffst.«
»Nein, das
macht er nicht«, korrigierte ihn Lenz, der an der Ecke auftauchte.
»Hände hoch!«,
brüllte der Gottesmann ihn an.
»Den Gefallen
würde ich Ihnen gern tun, aber dann falle ich vermutlich einfach um. Ich bin im
Augenblick leider auf die Krücken angewiesen.«
»Dann rücken
Sie Ihre Pistole heraus, aber dalli.«
»Auch diesem
Wunsch würde ich gern nachkommen, aber ich habe keine Waffe dabei.«
Während
der
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