Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
Herr
deiner gnädig erweist und du nicht dereinst in der Hölle gefangen sein wirst.«
Lenz und
Hain, die der Diskussion völlig fassungslos gefolgt waren, warfen sich einen Blick
zu, doch keiner der beiden sagte ein Wort.
»Ah, darauf
hätte ich wetten können, dass dieses Thema noch auf den Tisch kommt. Die Drohung,
die Erpressung mit dem Fegefeuer hat noch gefehlt.«
Er warf
ihr einen scharfen Blick zu.
»Merkst
du denn gar nicht, was dahinter steht? Sei zu Lebzeiten so, wie wir es von dir erwarten,
sonst wirst du nach deinem Tod in der Hölle schmoren. Wenn du aber immer lieb bist,
wartet im Gegensatz dazu das Paradies auf dich. Dabei hat noch niemand jemals dieses
Paradies, geschweige denn die Hölle, zu Gesicht bekommen. Das dient alles allein
dem Zweck, sich die Menschen gefügig zu machen.«
In diesem
Augenblick sprang Margarethe Zimmermann so rasant von ihrem Holzstuhl hoch, dass
er mit lautem Krachen umfiel.
»Ich kann
dieses Gespräch nicht fortsetzen, Bernd, ich bin dazu nicht in der Lage. Und ich
bitte dich, unser Haus zu verlassen.«
Sie schnappte
hektisch nach Luft, bevor sie weitersprechen konnte.
»Nein, ich
bitte dich nicht, unser Haus zu verlassen, ich fordere dich dazu auf. Geh und komm
besser nicht wieder, bevor deine Gedanken sich nicht in eine gute Richtung verändert
haben. Bis dahin möchte ich jeglichen Umgang mit dir vermeiden.«
Damit drehte
sie sich um und verließ die Küche.
»Tja, das
war’s dann wohl«, fasste Ahrens das Gespräch mit Margarethe Zimmermann nach ein
paar Sekunden des allgemeinen Schweigens zusammen. »Ich hatte erwartet, dass es
nicht leicht werden würde, aber dass sie mich gleich an die frische Luft setzt,
konnte ich nicht ahnen.«
»Wie fühlen
Sie sich jetzt?«, wollte Lenz wissen.
»Befreit«,
antwortete Ahrens nach einer Weile des Nachdenkens und stand auf. »Und jetzt lassen
Sie uns irgendwohin gehen, wo Sie mir in Ruhe Ihre Fragen stellen können. Das kann
von mir aus auch das Polizeirevier sein. Ich habe nichts angestellt, außer, dass
ich, zum Glück, meinen Selbstmordversuch vergeigt habe. Und«, fügte er betreten
hinzu, »dass ich Sie beide angeschwindelt habe. Wenn ich wegen dieser Sache Schwierigkeiten
bekommen sollte, werde ich es durchstehen. Es ist vermutlich im Vergleich zu dem,
was ich in den letzten Monaten durchgestanden habe, nicht so dramatisch, was deshalb
auf mich zukommen wird.«
»Nein, das
ist es sicher nicht«, stimmte Lenz zu. »Und für uns ist es viel bedeutender, dass
Sie gern und überzeugt weiterleben möchten.«
»Ja, das
möchte ich wirklich.«
Auch die
Polizisten standen nun auf.
»Dann lassen
Sie uns mal losfahren«, meinte Hain und steuerte auf die Küchentür zu, als aus dem
Flur Geräusche erklangen. Jemand steckte einen Schlüssel ins Schloss, drehte ihn
um und öffnete die Haustür. Lenz und Hain sahen sich fragend an, doch Bernd Ahrens
ergriff sofort die Initiative.
»Das ist
vermutlich Konrad. Geben Sie mir bitte ein paar Minuten mit ihm, damit ich auch
das hinter mich bringen kann.«
Die Polizisten
nickten.
»Hallo,
Konrad«, hörten sie ein paar Augenblicke, nachdem er um die Ecke getreten war, den
Witwer sagen, doch sein Tonfall klang dabei merkwürdig verändert. »Meine Güte, was
ist denn mit dir passiert?«
Die Antwort
bestand aus einem undeutlichen Genuschel, das in der Küche nicht zu verstehen war.
»Bist du
in einen Unfall verwickelt gewesen?«
Wieder leises
Genuschel.
Im nächsten
Augenblick zuckten die Polizisten zusammen, weil ein markerschütternder Schrei,
offenbar ausgestoßen von Margarethe Zimmermann, durch das Haus gellte.
»Konrad!
Himmel!«
Der junge
Oberkommissar blickte seinen Boss an, der mit den Schultern zuckte.
»Was sollen
wir jetzt machen?«
»Keine Ahnung.
Geh rüber und sieh nach, was los ist.«
»Sei froh,
dass du auf Krücken unterwegs bist«, murmelte Hain, verließ die Küche und trat in
den Flur. Was er zu sehen bekam, hätte ihm in einer anderen Situation vielleicht
ein verschämtes Grinsen abgenötigt, doch an diesem Tag und in dieser Minute blieb
ihm jegliches Lachen im Hals stecken. In der noch offenen Haustür, eingerahmt von
Margarethe Zimmermann und Bernd Ahrens, stand ein Mann, dessen Gesicht kaum zu erkennen
war und dessen sonstiges Aussehen mit ›abgerissen‹ überaus wohlwollend umschrieben
gewesen wäre. Seine Hosenbeine waren mit Grasflecken übersät, das Sakko an mehreren
Stellen zerrissen und einer der Ärmel war nur noch durch ein paar
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