Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
zumindest in Erichs Parteikreisen, niemand ein
Interesse.«
Sie trank
den Rest ihres mittlerweile kalten Kaffees.
»Vielleicht
können sie ihre Version der großen Liebe nicht dauerhaft aufrechterhalten, aber
für den Augenblick zumindest scheint es zu klappen.«
»Mir wird
schlecht, wenn ich daran denke, dass du vermutlich recht hast«, stellte Hain ernüchtert
fest, nachdem Enzo ihm seinen Kaffee serviert und sich wieder verzogen hatte.
»Ob es tatsächlich
so kommt, werden …«, wollte Lenz die beiden etwas einbremsen, wurde jedoch von seinem
Telefon unterbrochen.
»Ja, Lenz.«
Am anderen
Ende meldete sich Uwe Wagner, der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Nordhessen
und enger Freund des Hauptkommissars.
»Was ist
denn bei euch los, Paul?«, hielt er sich nicht mit einer großen Vorrede auf. »Stimmt
es, dass der Kleine suspendiert ist?«
»Nein, das
ist, zumindest zum momentanen Zeitpunkt, nicht richtig.«
»Aber es
stimmt, dass er Weck so richtig vor den Koffer geschissen hat?«
»Woher hast
du das?«
»Mensch,
Paul, das tut doch gar nichts zur Sache. Der Weck war eben hier, und ich war ernsthaft
froh, als er wieder aus meinem Büro raus war. Ich glaube, ich habe noch nie einen
so wütenden Menschen erlebt.«
»Und er
war deswegen bei dir?«
»Nein, natürlich
nicht. Das war nur ein Nebenkriegsschauplatz.«
»Und was
war der Hauptkriegsschauplatz?«
»Das war
mal wieder das Verhältnis von Kripo Kassel zu unseren Cousins vom BKA. Ich habe
einen Maulkorb verpasst bekommen, der so eng ist, dass ich ziemlich schlecht Luft
kriege.«
Wagner machte
eine kurze Pause.
»Ach was,
ich kriege eigentlich gar keine Luft durch das Ding.«
»Das heißt,
dass du raus bist aus der Sache mit Zeislinger?«
»Komplett,
ja. Das liegt jetzt alles beim BKA.«
»Und was
ist mit dem Doppelmord von letzter Nacht?«
»Was soll
damit sein? Das ist doch eine ganz andere Baustelle.«
Lenz dachte
kurz nach.
»Ja, vermutlich.«
»Wie – vermutlich?
Weißt du etwas, was ich auch wissen sollte?«
»Lass mir
noch ein bisschen Zeit, Uwe. Wenn es was Wissenswertes dazu gibt, bist du der Erste,
der es erfahren wird.«
»Aber du
bist doch überhaupt nicht an den Sachen dran«, wunderte Wagner sich. »Du bist doch
Rekonvaleszent.«
»Wie gesagt,
lass mir ein wenig Zeit. Ich melde mich bei dir, versprochen.«
»Ich verlass
mich auf …«
Stille in
der Leitung.
»Uwe?«
»Ja …, ich habe
gerade … eine Nachricht bekommen. Verkehrsunfall in Wilhelmshöhe, die Autobahnausfahrt
ist dicht.«
»Was ist
daran so interessant?«
»Ach, nichts
weiter. Der Fahrer des Unfallwagens steht auf der Fahndungsliste, und ich dachte,
ich hätte seinen Namen in der letzten Zeit schon einmal gehört.«
»Na, vielleicht
kommt die Erinnerung ja bald wieder«, munterte Lenz seinen Freund auf. »Ich melde
mich auf jeden Fall bei dir, wenn es etwas zu berichten gibt.«
»Ja, mach
das. Bis dann.«
»Bis dann,
Uwe.«
Lenz wollte
das Gespräch schon wegdrücken, als ihn ein lauter Aufschrei von Wagner stutzig machte.
»War noch
was?«
»Und ob
noch was war«, erwiderte der Pressemann hastig. »Dieser Typ, um den es hier geht,
ist ein Kunde von Thilo. Zumindest hat er ihn zur Fahndung ausgeschrieben.«
»Ich werde
es ihm sagen, wenn ich ihn sehe. Wie heißt der Kerl denn?«
»Wesseling.
Maik Wesseling.«
21
Volker Weidler griff nach seiner
Reisetasche, ließ die Lobby des kleinen Hotels, in dem er übernachtet hatte, hinter
sich, trat auf die Straße und atmete tief ein. Die Luft in Kassel schmeckte an diesem
Morgen ein wenig nach Ozon, vermutlich, weil schon seit mehreren Tagen Temperaturen
von weit über 30 Grad herrschten. Der ehemalige Biologielehrer überquerte die Straße
und schlenderte an einem Fast-Food-Laden amerikanischer Machart vorbei, vor dem
jede Menge Menschen auf billigen Alustühlen saßen und irgendwelche Monster-Mega-Menüs
in sich hineinschoben.
Einige der
jungen Mädchen trugen bauchfrei, garniert durch Piercings im Nabel, die Jungs lässige,
weit geschnittene Shirts und kurze Hosen.
Lieber Gott,
wie sind die Sitten verkommen. Sie sitzen hier, halb nackt, flirten und lachen miteinander,
als ob es nichts Wichtigeres gäbe.
Dabei gab
es so viele wichtige Dinge auf der Welt. Dinge, für die es sich wirklich lohnte
zu kämpfen. Dinge, die schon im Buch der Bücher niedergeschrieben waren.
Moral, Sitte,
Anstand, Disziplin. Das waren die Werte, die für Weidler zählten. Doch in den letzten
Jahren, natürlich
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