Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
den Kopf.
»Nein, das
tut mir leid, ich trinke keinen Kaffee. Einen Tee könnte ich dir anbieten. Oder
ein Mineralwasser.«
»Ein Wasser
würde ich nehmen.«
Der Mann
im Jogginganzug trat in die Küche, bat seinen Gast an den Tisch, holte eine Wasserflasche
aus dem Kühlschrank, stellte zwei Gläser daneben und setzte sich ebenfalls.
»Bitte,
bedien dich.«
Es entstand
eine etwas längere, auf Ahrens peinlich wirkende Gesprächspause.
»Ich wusste
gar nicht, dass du noch in Kassel bist«, nahm er die Unterhaltung schließlich wieder
auf. »Bei wem hast du übernachtet?«
»In einem
Hotel in der Innenstadt. Klein, aber in Ordnung.«
»Warum nicht
bei einem Mitglied der Gemeinde? Hat man dir keine Schlafgelegenheit angeboten?«
»Doch, natürlich.
Aber ich bin, was das angeht, ein wenig komisch. Ich brauche einfach meinen Freiraum,
wenn ich ins Bett gehe. Außerdem möchte ich um jeden Preis vermeiden, jemandem zur
Last zu fallen.«
»Mensch,
Volker«, zeigte Ahrens sich wirklich überrascht, »wie kommst du denn auf so was?
Du wärst garantiert niemandem zur Last gefallen und das Geld für das Hotelzimmer
hättest du obendrein gespart.«
»Nun lass
mal, ich komme schon klar, wie es ist. Und, wie gesagt, bin ich etwas komisch, was
diese Dinge angeht. Vielleicht könnte man es prüde nennen, aber es gefällt mir einfach
nicht, wenn ich mich anderen zeigen muss.«
Ahrens dachte
kurz daran, eine weitere Frage zu Weidlers Ausführungen zu stellen, ließ es dann
jedoch bleiben und wechselte das Thema.
»Und, was
führt dich zu mir an diesem schönen Morgen?«
»Kannst
du dir das nicht denken?«, antwortete der Referent aus Gießen mit einer Gegenfrage.
»Nein, überhaupt
nicht.«
»Ich bin
hier, weil ich mir ernsthaft Sorgen um dich mache, Bernd. Ich mache mir Sorgen,
dass du vom rechten Weg abkommst, und das möchte ich um jeden Preis der Welt verhindern.«
Ahrens schluckte.
»Wie kommst
du darauf? Und überhaupt, wie meinst du das eigentlich?«
Weidler
trank einen großen Schluck Wasser, stellte das Glas bedächtig auf dem Tisch ab und
fixierte sein Gegenüber mit einem durchdringenden Blick.
»Ich komme
darauf, weil ich mich an unser Gespräch von gestern Abend erinnere und weil ich
dich beobachtet habe. Und ich meine, dass du ernsthaft Gefahr läufst, vom Glauben
abzufallen. Dass du, lieber Bernd, in einer großen Krise steckst, die dich am Ende
in eine Sackgasse führen könnte.«
»Nun hör
aber auf. Ich und vom Glauben abfallen! Dass ich nicht lache. Ich stehe fest zu
meinem Glauben, und daran wird sich auch nichts ändern.«
»Aber deine
Aussagen von gestern Abend haben leider etwas ganz anderes impliziert.«
»Ich war
emotional angespannt, da redet man schon mal dummes Zeug. Ich stehe zu unserem Herrn,
das kannst du mir glauben.«
Weidler
nickte, doch in seinem Blick waren deutliche Zweifel erkennbar.
»Dir ist
schweres Leid widerfahren in den letzten Monaten, Bernd, das ist nicht von der Hand
zu weisen. Und ich weiß, dass du mehr als einmal gezweifelt hast. Dutzende Male
hast du gezweifelt, auch das weiß ich, und du hast darüber nachgedacht, dich abzuwenden
vom Glauben. Aber …«
»Woher willst
du das denn so genau wissen?«, wurde Weidler schroff und mit deutlich empörter Miene
von Ahrens unterbrochen. »Du magst zwar ein kluger Kopf und ein guter Redner sein,
aber in mein Gehirn kannst du nicht hineinsehen.«
»Das behaupte
ich doch auch gar nicht«, erwiderte der ehemalige Biologielehrer besänftigend. »Ich
kann dir natürlich nicht in den Kopf schauen, aber ich kann mich gut in dich und
deine Situation hineinversetzen. Auch ich habe nämlich meine Frau verloren, aber
ich habe akzeptiert, dass es Gottes Wille war.«
»Soweit
ich gehört habe, ist deine Frau nicht gestorben, sie hat dich einfach verlassen.
Und das ist doch etwas ganz anderes, als wenn Frau und Kind sterben müssen, weil
sie von einem Betrunkenen über den Haufen gefahren werden.«
»Ja, meine
Frau hat mich tatsächlich verlassen«, erwiderte Weidler nachdenklich. »Einfach so
hat sie mich verlassen. Aber auch das war der Wille des Herrn; ich vermute, er wollte
einfach, dass ich mehr Zeit habe, sein Wort in die Welt zu tragen.«
»Ja, vielleicht«,
murmelte Ahrens, wenig überzeugt.
»Wie auch
immer, das liegt jetzt eine ganze Weile hinter mir. Ich sehe nach vorn und was ich
da in Bezug auf dich sehe, macht mich sehr traurig.«
»Das ist
wirklich nicht …«, wollte der Hausherr abwiegeln, wurde jedoch vom
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