Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
erneuten Klingeln
an der Wohnungstür unterbrochen.
»Ach, erwartest
du doch noch Besuch?«
»Quatsch,
ich habe heute überhaupt niemanden erwartet. Vielleicht ist es die Post?«
Damit erhob
er sich, trottete langsam Richtung Flur und griff zum Hörer der Gegensprechanlage.
»Ja, bitte«,
hörte sein Besucher ihn leise sagen, gefolgt von einem wenig begeisterten »ach,
du. Ja, komm hoch.«
Eine halbe
Minute später betrat ein völlig überraschter Konrad Zimmermann die Küche, nachdem
er Bernd Ahrens im Hausflur begrüßt hatte.
»Herr Weidler.
Was machen Sie denn hier?«
»Wollen
wir nicht du zueinander sagen?«, kam zunächst eine Gegenfrage. »Mit Bernd habe ich
diese Übereinkunft auch getroffen. Und es macht vieles im Gespräch nun einmal einfacher,
wie ich finde.«
»Klar, gern«,
gab Zimmermann freundlich zurück und streckte seine Rechte nach vorn. »Ich bin der
Konrad.«
»Und ich
der Volker.«
»Aber ich
bin immer noch überrascht, dich hier zu treffen, Volker. Ich wusste gar nicht, dass
du noch in der Stadt bist.«
»Doch, bin
ich. Und nachdem ich heute Morgen aufgestanden war, hatte ich das dringende Bedürfnis,
Bernd einen Besuch abzustatten.«
»Das finde
ich aber nett.«
»Um der
Wahrheit die gebührende Ehre zu geben«, mischte Ahrens sich ein, »ist Volker hier,
weil er befürchtet, dass ich den Glauben an unseren Herrn verlieren könnte.«
»Du?«, zeigte
Zimmermann sich schockiert. »Du sollst den Glauben an Gott verlieren?«
Sein Blick
wandte sich wieder Weidler zu.
»Dein Engagement
ist wirklich zu bewundern, aber die Sorge, dass Bernd schwach werden könnte, ist
nach meinem Dafürhalten absolut unberechtigt. Ich kenne ihn nun seit so vielen Jahren
und ich weiß, wie stark er im Glauben ist.«
»Nun, er
macht eine schwere Prüfung durch. Es wäre nicht das erste Mal, dass jemand, der
so etwas erlebt, zu zweifeln beginnt.«
»Das mag
wohl sein, trifft aber auf Bernd nicht zu. Ich bin zwar auch gekommen, um ihn zu
unterstützen, speziell nach dem, was er gestern Abend während des Gesprächs in der
Weinstube gesagt hat, doch das bedeutet keinesfalls, dass ich an seiner Glaubensfestigkeit
zweifle.«
»Hallo,
ihr beiden«, fuhr Bernd Ahrens genervt dazwischen. »Man redet über Anwesende nicht
in der dritten Person. Das ist unhöflich.«
Weidler
und Zimmermann sahen zunächst sich und im Anschluss den Wohnungsinhaber irritiert
an.
»Aber Bernd«,
ergriff Zimmermann schließlich wieder das Wort, »so kenne ich dich ja gar nicht.
Warum bist du so aggressiv uns gegenüber?«
»Weil ich
es satt habe, von euch wie ein kleines Kind behandelt zu werden. Ich mag dich wirklich
gern, Konrad, und ich schätze deinen Rat, aber ich muss auch mein Leben leben; oder
besser das, was davon übrig geblieben ist. Und du, Volker, dich habe ich gestern
Abend kennengelernt. Du weißt, dass ich im Augenblick eine schwere Zeit durchmache,
aber du weißt nicht wirklich, wie es in mir drinnen aussieht.«
Ahrens sah
die beiden kopfschüttelnd an.
»Ihr glaubt,
mir helfen zu müssen. Das ist schön, aber fragt sich einer von euch vielleicht auch
mal, wie ich das sehe? Ob ich das will?«
»Die ganze
Gemeinde …«, wollte Zimmermann einen Einwand vorbringen, wurde jedoch erneut
barsch von seinem Freund unterbrochen.
»Ja, Konrad,
auch die gesamte Gemeinde steht hinter mir, das weiß ich. Und trotzdem sind und
bleiben das alles nur Worte, die mir über meinen Schmerz hinweghelfen sollen. Es
erscheint mir, als würde man versuchen, mit einem Fahrrad und einer Lanze gegen
eine Armee von Panzern zu kämpfen. Es ist großartig von euch, mir in meinem Schmerz
zur Seite stehen zu wollen, aber das alles hat Grenzen.«
»Bernd«,
ergriff Weidler wieder das Wort, »die Liebe des Herrn ist grenzenlos. Das weißt
du und das darfst du nie vergessen.«
Ahrens schluckte.
»Ja, das
weiß ich. Allerdings ist die Art, wie er mir momentan seine Liebe offenbart, sehr
verwirrend. Überaus verwirrend, um genau zu sein«, fügte er mit feuchten Augen hinzu.
»Aber es
ist, gerade in dieser schwierigen Situation, wichtig für dich, auf Freunde bauen
zu können. Dich Freunden anvertrauen zu können.«
»Ja, auch
dagegen will ich nichts sagen«, gestand Ahrens ein. »Jedoch muss ich bereit sein,
diese Hilfe annehmen zu können; und ich weiß wirklich nicht, ob ich schon so weit
bin.«
Damit sprach
er ein Thema an, das er in den Therapiesitzungen mit seinem Psychologen herausgearbeitet
hatte.
»Ich muss
mir Zeit nehmen für
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