Höllenqual: Lenz’ zehnter Fall (German Edition)
die Trauer um Gerlinde und Sarah und ich muss es zunächst einmal
für mich selbst bewältigen. Wenn ich Hilfe benötige, weiß ich, wo ich sie finden
kann, aber ich möchte nicht das Gefühl haben, mit diesem Hilfsangebot von euch unter
Druck gesetzt zu werden.«
Seine Erklärung
wurde mit eisigem Schweigen am Tisch aufgenommen.
»Und deshalb
bitte ich euch, mich zu verstehen und mir den nötigen Freiraum zu lassen, selber
mit der Situation klarzukommen.«
»Und was
genau heißt das jetzt?«, wollte Zimmermann wissen.
»Das heißt,
dass ich jetzt gern meine Ruhe hätte.«
»Du wirfst
uns hinaus?«
»Wenn du
es so sehen willst, kann ich es nicht verhindern. Aber du musst es nicht so sehen.«
Die beiden
Besucher am Tisch sahen sich noch einmal konsterniert an, dann erhob Zimmermann
sich.
»Ich kenne
dich wirklich nicht mehr wieder, Bernd. Was ist nur los mit dir?«
»Ich will«,
erwiderte Ahrens mit nun deutlich erhobener Stimme, »einfach mein Leben zurück.
Oder vielleicht will ich auch nur die Hoheit über mein Leben zurückgewinnen, das
kann ich noch nicht sagen. Und wenn du das jetzt persönlich nimmst, kann ich es
auch nicht ändern. Und jetzt möchte ich einfach allein sein, bitte.«
»Das Alleinsein
ist in deiner Situation garantiert nicht richtig«, machte Weidler einen letzten
Versuch, der jedoch schon im Ansatz zum Scheitern verurteilt war.
»Bitte,
geht jetzt«, war die kurze Reaktion von Bernd Ahrens.
Nachdem er seine vier Wände wieder
für sich allein hatte, weinte er ein paar Minuten dicke Tränen. Dann griff er zum
Telefon und wählte eine Nummer.
22
Maik Wesselings Gehirn hatte eine
Weile gebraucht, bis es wieder in halbwegs geregelten Bahnen arbeitete. Obwohl er
brutale Kopfschmerzen hatte und befürchtete, jede Sekunde loskotzen zu müssen, konnte
er sich daran erinnern, auf einer Reise gewesen zu sein. Irgendwo in Holland. Auch
einen Teil der Rückfahrt hatte er noch auf dem Schirm, die Erinnerung brach jedoch
kurz hinter Warburg ab. Nichts. Leere. Ein Arzt hatte ihm erklärt, dass er nach
einem Autounfall an der Ausfahrt Kassel-Wilhelmshöhe in die Klinik eingeliefert
worden sei und dass er neben einem doppelten Bruch des linken Oberschenkels und
eines Rippenserienbruchs auch noch eine deftige Gehirnerschütterung davongetragen
habe. Man werde ein paar Tage warten müssen mit der Operation am Bein, weil die
Schwellung an der betroffenen Stelle noch zu arg sei, der Rest würde konservativ
behandelt werden, also ohne chirurgischen Eingriff. Gegen die Schmerzen, die vor
allem von den Rippen kamen, gab er ihm ein Analgetikum, dann lag er allein in dem
großen Zimmer.
Was für
eine Scheiße. Mein Leben ist fast völlig im Arsch, und ich habe keine Ahnung, was
eigentlich los ist. Meine Freundin wird abgemurkst, und kurz darauf mein bester
Kumpel. Oder, Moment, vielleicht war er ja gar nicht so ein guter Kumpel, wie ich
immer gedacht habe. Vielleicht war er ja nur eine von diesen schwulen Säuen. Olli,
du verdammte schwule Sau.
Dann war
er wieder für eine Weile weggedöst. In seinem Traum wurde er von einer Rockerbande
übel zugerichtet.
»Herr Wesseling?«
Die Stimme
passte nicht ins Rockermilieu.
»Hallo,
Herr Wesseling?«
Aber gehört
habe ich die Stimme schon mal. Ist auch noch gar nicht so lange her.
Er öffnete
mühsam ein Auge und sah in das verbeulte Gesicht von Thilo Hain, an das er sich
ohne große Mühe erinnern konnte.
»Was wollen
Sie denn hier?«
»Dafür sorgen,
dass der Tag für dich kein böses Ende nimmt.«
»Hä? Reden
Sie Klartext mit mir oder verpissen Sie sich.«
Damit wandte
er sich ab und betrachtete die gegenüberliegende Zimmerwand.
»Stefanie
Kratzer ist tot.«
»Ich weiß.«
»Olli Heppner
weilt ebenfalls nicht mehr unter den Lebenden. Hat sich das schon bis zu dir rumgesprochen?«
»Ja.«
»Und wer,
glaubst du, könnte, einer gewissen Logik folgend, der Nächste auf dieser überaus
unangenehmen Liste sein? Fällt dir dazu irgendwas ein?«
»Nö.«
»Dann will
ich dir geistig ein wenig unter die Arme greifen, wenn du gestattest.«
»Abgelehnt.«
»Du warst
der Zuhälter von Stefanie Kratzer. Ob das gut oder schlecht ist, muss und will ich
nicht beurteilen, das überlasse ich anderen. Was ich aber bei der Beurteilung der
Situation nicht außer Acht lassen kann, ist die Tatsache, dass du dich, als es um
den Mord an ihr ging, der Festnahme widersetzt hast. Und das ist auf jeden Fall
kein Bonuspunkt für dich. Das wird, ganz im
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