Höllenschlund
Grund auch immer.«
»Vielleicht werden wir es nach dem morgigen Tag wissen.« Er blickte auf seine Armbanduhr. »Und du hast wirklich kein Problem damit, wenn wir in einem Bett schlafen? So lange kennen wir uns schließlich noch gar nicht.«
Carina griff nach seiner Hand. »Ich komme mir vor, als würde ich Sie schon ein halbes Leben kennen, Mr. Austin.
Gehen wir?«
Sie fuhren mit dem Lift zu ihrem Zimmer, wo Austin auf den Balkon trat, damit sich Carina ungestört umziehen konnte. Er starrte auf die Spiegelung der Lichter im Meer, als sie zu ihm kam und die Arme um seine Hüfte schlang. Er spürte die Wärme ihres Körpers. Als er sich umdrehte, wurde er von einem samtweichen Kuss begrüßt. Sie trug zwar ein langes, weißes Baumwollnachthemd, doch das schlichte Kleidungsstück verhüllte ihre prächtige Figur kaum.
»Was ist mit deinem Jetlag?«, fragte Austin.
Carinas Stimme klang tief, als sie die Arme um seinen Hals schlang. »Ich glaube, ich habe ihn gerade überwunden.«
28
Austin wachte aus tiefem Schlaf auf und nahm sein trällerndes Handy vom Nachttisch. Er stieg aus dem Bett und hüllte sich wie ein römischer Senator in das Laken. Der Anblick von Carinas schwarzem Haar, das sich über ihr Kissen ausbreitete, zauberte ein anerkennendes Lächeln auf sein gebräuntes Gesicht.
Er trat auf den Balkon und legte das Handy ans Ohr. »Der Adler ist auf dem Flughafen von Dalyran gelandet«, meldete Zavala. »Der Anhänger mit der Subvette hat das Flugzeug verlassen und ist zum Einsatz bereit.«
»Gute Arbeit, Joe«, sagte Austin. »Wir treffen uns in neunzig Minuten.« Er beschrieb Zavala den Weg zum Treffpunkt.
»Könnte etwas länger dauern, Kurt. Ich stehe hier an der Straße und suche nach einem Laster, der den Anhänger ziehen kann. Am Flughafen selbst kann man aber nur kleine Autos mieten. Muss jetzt gehen. Das da dürfte meine Mitfahrgelegenheit sein.«
Austin zweifelte nicht eine Sekunde lang daran, dass Zavala den Transport organisieren konnte. Der leise Amerikaner mexikanischer Abstammung hatte schon immer ein Händchen dafür gehabt, das Unmögliche möglich zu machen.
Aus dem Bad hörte er das Geräusch fließenden Wassers.
Carina war vom klingelnden Handy geweckt worden und hatte lautlos das Bett verlassen. Austin konnte hören, wie sie unter der Dusche sang.
»Ich brauche jemanden, der mir den Rücken schrubbt«, rief sie.
Austin benötigte keine zweite Aufforderung. Seine improvisierte Toga flog davon. Nach der gemeinsamen Dusche trockneten sie sich gegenseitig ab und zogen sich an. Austin trug braune Shorts und ein typisches Hawaiihemd, auf das Don Ho stolz gewesen wäre. Carina zog ein Hemdkleid in Sonnengelb über ihren schwarzen Bikini. Nach einem vom Zimmerservice gelieferten Frühstück aus Brötchen, hart gekochten Eiern und Kaffee fuhren sie zum Hafen.
Austin war ehrlich zu Mustafa gewesen. Am vergangenen Abend hatte er dem Kapitän noch erzählt, dass Carina und er auf der Suche nach einem antiken Artefakt seien, obwohl sie über keine offizielle Genehmigung des türkischen Staates verfügten. Er hatte zwar nicht vor, das Artefakt zu behalten, falls sie es aufspürten, doch er wollte, dass Mustafa wusste, worauf er sich einließ. Andererseits wurde der Kapitän durch die gute Bezahlung für das zusätzliche Risiko entschädigt.
Mustafa sagte, er mache sich keine Sorgen wegen staatlicher Verordnungen. Austin hatte das Boot gemietet, und Mustafa würde ihn überall hinbringen. Was seine Kunden dort taten, war einzig und allein ihre Angelegenheit.
Austin hatte dem Kapitän gesagt, dass sie eine abgeschiedene Stelle brauchten, wo sie ein Gefährt zu Wasser lassen konnten. Also hatte Mustafa ihnen eine verlassene Anlegestelle für Boote beschrieben, deren Besitzer bankrott gemacht hatte. Der Kai lag auf der anderen Seite der Hafenbucht. Carina würde mit Mustafa fahren und sich dort mit Austin wiedertreffen.
Den Bootskai erreichte man über eine Schotterstraße, die mehr Krater als die Rückseite des Mondes aufwies. Austin schritt zwischen den Holzskeletten halb fertiger Boote hindurch und inspizierte die Rampe. Der Teerbelag war an den Rändern abgeblättert, doch der Hauptteil schien noch verhältnismäßig gut in Schuss.
Zavala war bereits seit fünfzehn Minuten überfällig. Austin stand am Straßenrand und fragte sich, ob der Erfindungsreichtum seines Freundes vielleicht an seine Grenzen gestoßen war. Er legte den Kopf schief, als er das Brummen eines Motors hörte.
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