Höllenschlund
Was das Verhalten ausländischer Touristen betraf, schien es nichts zu geben, was Mustafa noch überraschen konnte. Er ließ den Motor an und fuhr zum Hafen zurück.
Austin holte zwei Flaschen türkisches Bier aus der Kühltasche und reichte eine an Carina weiter.
»Und?«, fragte sie.
Er nahm einen tiefen Schluck und ließ sich das kalte Getränk durch die Kehle rinnen. »Wenn wir davon ausgehen, dass Salims Angaben stimmen und sich die Statue zum Zeitpunkt des Erdbebens noch in der Felsenhöhle befand, gibt es keine Gewissheit, dass sie nicht unter tonnenweise Schutt begraben wurde. Selbst wenn wir sie finden, könnte der
Navigator
zu sehr beschädigt worden sein, um uns noch etwas zu nützen.«
»Dann war das alles hier umsonst?«
»Ganz und gar nicht. Ich würde sogar gern wiederkommen, um mir die Sache genauer anzusehen.«
Er sagte zu Mustafa, er wollte das Boot für einen weiteren Tag mieten.
»Können wir morgen noch einmal hierherkommen?«, fragte Austin. »Dann würde ich gern ein bisschen tauchen.«
»Aber natürlich«, sagte Mustafa. »Sind Sie Wissenschaftler?«
Austin zeigte ihm seinen NUMA-Ausweis. Mustafa hatte zwar noch nie von dieser Institution gehört, aber er schien doch davon beeindruckt, dass Austin einen speziellen Ausweis besaß. Mustafa war froh über den neuen Auftrag. Er hatte den Besitzern des Bootes gesagt, dass er kündigen würde, wenn er nicht bald einen Helfer bekäme. Austin zog ein Satellitentelefon aus seinem Rucksack und wählte Zavalas Nummer. Zavala war an der Ausgrabungsstätte und wartete darauf, dass Hanley ihm grünes Licht für den Einsatz der Subvette gab.
»Du musst Hanley erklären, dass die Dienste der Sub anderswo benötigt werden«, sagte Austin.
Er erklärte Zavala, wo er sich aufhielt, und gab ihm eine Einkaufsliste durch. Zavala sagte, wenn er das Ganze logistisch bewältigen konnte, würde er am nächsten Morgen nach Dalyran fliegen.
Das Boot legte in der Abenddämmerung an. Austin fragte Mustafa, ob er ihnen ein ruhiges Hotel empfehlen konnte.
Der Kapitän schlug eine Anlage vor, die man nach zwanzig Minuten Fahrt über eine gewundene Straße erreichte, die sich durch die bewaldeten Hügel in der Umgebung von Fethiye zog. Der Hotelangestellte sagte am Telefon, normalerweise sei zwar eine Reservierung nötig, aber zufällig wäre noch ein Zimmer mit einem Kingsize-Bett frei. Austin hatte sich noch gar keine Gedanken wegen der Übernachtung gemacht. Er fragte Carina, ob sie sich vielleicht lieber ein anderes Hotel suchen sollten.
»Ach, ich bin ziemlich kaputt«, sagte sie. »Ich spüre immer noch den Jetlag. Sag ihm doch, dass wir das Zimmer nehmen.«
Im Hotelrestaurant entspannten sie sich bei einem gemütlichen Abendessen an einem Ecktisch mit Meeresblick. Es gab Schisch Kebab mit Reis. Die Lichter von Fethiye schimmerten in der Ferne wie eine Diamantenhalskette.
»Ich zerstöre diese romantische Stimmung nur ungern mit geschäftlichen Angelegenheiten«, sagte Austin. »Aber es gibt da ein paar Punkte, die wir besprechen sollten. Vor allem die Frage, wie es diese Schläger geschafft haben können, uns bis in das verlassene Dorf zu folgen?«
Sie sah ihn an, als hätte sie der Blitz getroffen. »
Baltazar.
«
Austin lächelte matt. »Du hast mir doch gesagt, dein Wohltäter sei über jeden Verdacht erhaben.«
»Er
muss
etwas damit zu tun haben. Er war der Einzige, dem ich etwas über den Fotografen vom
National Geographie
erzählt habe. Er hat veranlasst, dass die Statue fortgeschafft wird. Saxon hatte mich vor ihm gewarnt.«
»Das alles wussten wir aber bereits vorher. Was hat dich nun veranlasst, deine Meinung so plötzlich zu ändern?«
Sie rutschte nervös auf dem Stuhl herum. »Bevor wir nach Istanbul aufbrachen, habe ich einen Mitarbeiter von Baltazar angerufen und ihm gesagt, wohin wir fliegen und warum.
Das gehörte zu unseren ursprünglichen Vereinbarungen, und zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was daran verkehrt sein sollte. Baltazar war der Einzige, der die Bergung des Schatzes von Bagdad finanziert hat.« Schlagartig wurde ihr die Bedeutung ihrer Worte bewusst. »Großer Gott. Baltazar wollte die ganze Zeit nur die Statue haben. Aber
warum?
«
»Lass uns ein paar Schritte zurückgehen«, sagte Austin.
»Was wäre, wenn er tatsächlich für den Diebstahl verantwortlich ist? Warum sollte er uns daran hindern, die Zwillingsstatue ausfindig zu machen?«
»Offenbar will er nicht, dass irgendjemand sie sieht, aus welchem
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