Höllenschlund
auf das nutzlose Bild, das der Monitor zeigte, und erhob sich dann aus seinem Sessel. »Vielen Dank, meine Herren. Mein Diener wird Sie zur Tür begleiten.«
Nachdem die beiden Männer hinausgeführt worden waren, ging Baltazar vor der Statue auf und ab. Er dachte über die Zeit und das Geld nach, das er aufgewendet hatte, um an dieses nutzlose Stück Metall zu kommen. Das gefrorene Grinsen schien ihn zu verspotten. Benoir hatte ihm gesagt, dass Carina in die Türkei gereist war, um nach einer Kopie der Statue zu suchen. Er hatte seinen Männern befohlen, sie abzufangen. Er war keineswegs bereit, irgendetwas dem Zufall zu überlassen. Gleichzeitig hoffte er, dass ihm der Besitz der Originalstatue einen Vorsprung verschaffte.
Seine düsteren Grübeleien wurden vom Klingeln seines Telefons unterbrochen. Der Anruf kam aus Istanbul. Er hörte sich die Schilderung des gescheiterten Überfalls an. Dann sagte er dem Anrufer, dass seine Anweisungen weiterhin galten, und unterbrach verärgert die Verbindung.
Austin hatte mehr Leben als eine Katze.
Katze.
Er blickte auf das bronzene Tier am Fuß der Statue. Dann schaute er hoch, und in seiner Fantasie sah er nicht die beschädigten Gesichtszüge eines antiken Phöniziers, sondern die von Austin.
Baltazar ging zur Wand, wo neben anderen gefährlichen Instrumenten aus dem Mittelalter ein Morgenstern hing. Er nahm die Waffe von der Halterung und ließ die gespickte Kugel am Ende der Kette hin und her schwingen. Dann trat er zwischen die Kamerastative, holte mit dem Morgenstern aus und schlug zu.
Die Kugel beschrieb einen weiten Bogen am Ende der Kette, krachte gegen die Statue und prallte ab. Der Schlag erzeugte einen Ton wie von einem ungestimmten Gong.
Wäre ein Mensch von dieser Waffe getroffen worden, hätte ihn der Hieb in eine blutige Masse verwandelt. Die Kugel hatte zwar mehrere Dellen in der Brust der Statue hinterlassen, aber das stille Lächeln hatte sich keinen Deut verändert.
Mit einem wüsten Fluch warf Baltazar den Morgenstern fort, stapfte aus dem Raum und schlug die Tür hinter sich zu.
31
Die Trouts liefen mit zügigen Schritten an der Reihe der Touristen vorbei, die sich für eine geführte Besichtigung angestellt hatten, bogen in eine Nebenstraße ein und entfernten sich von dem geschäftigen Treiben rund um die Independence Hall. Sie näherten sich der Bibliothek der Amerikanischen Philosophischen Gesellschaft, einem zweistöckigen Ziegelgebäude, das an einen stillen Park grenzte.
Angela Worth saß an ihrem Arbeitsplatz in der Ecke eines Lesesaals. Sie blickte auf und zog eine Augenbraue hoch. Das auffällige Paar, das auf ihren Schreibtisch zukam, wirkte anders als die üblichen Wissbegierigen, die die Bibliothek aufsuchten.
Der Mann war mindestens zwei Meter groß, trug Khakihosen mit rasiermesserscharfer Bügelfalte und einen blaugrünen Leinenblazer über einem blassgrünen Hemd. Dazu hatte er eine farblich abgestimmte Krawatte angelegt. Die große Frau an seiner Seite hätte genauso gut ein Titelmodell für die
Vogue
wie eine Triathlon-Sportlerin sein können. Die olivgrünen Seidenhosen umflossen ihren athletischen Körper, und sie schien weniger zu gehen als zu schweben.
Die Frau blieb vor Angelas Schreibtisch stehen und streckte ihr eine Hand entgegen.
»Mrs. Worth? Mein Name ist Gamay Morgan-Trout. Das ist mein Mann Paul.« Sie lächelte und zeigte die kleine Lücke zwischen ihren Schneidezähnen, die ihrer Schönheit keinen Abbruch tat.
Angela bemerkte, dass sie die beiden mit offenem Mund anstarrte. Sie riss sich jedoch zusammen und stand auf, um ihnen die Hand zu schütteln.
»Sie sind die Leute von der NUMA, die gestern angerufen haben.«
»Richtig«, sagte Paul. »Danke, dass Sie etwas Zeit für uns erübrigen können. Ich hoffe, dass es keine allzu große Belästigung ist.«
»Ganz und gar nicht. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wir haben gehört, dass Sie das verschollene Jefferson-Dokument wiederentdeckt haben«, sagte Gamay.
»Stimmt. Wie haben Sie davon erfahren?«
»Das Außenministerium hat sich mit der NUMA in Verbindung gesetzt, nachdem die NSA das Dokument entziffert hatte.«
Angela hatte versucht, ihren Freund im Kryptologischen Museum der NSA zu erreichen, aber Deeg hatte gar nicht zurückgerufen.
»Sagten Sie gerade
Außenministerium?
«
»Richtig«, bestätigte Gamay.
»Das verstehe ich nicht. Warum interessiert man sich dort für die Sache?«
»Haben Sie irgendeine Vorstellung, worum es in diesem
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