Höllenschlund
Jefferson-Dokument an sich. Die Verantwortung abzuschieben konnte auch riskant sein. Er verließ sein Büro und dachte, dass er vorsichtig sein musste, wenn er mit dieser heißen Kartoffel hantierte.
Douglas war ungefähr fünfzig Jahre alt, ein liebenswürdiger Amerikaner afrikanischer Herkunft. Durch den kreisrunden kahlen Fleck auf seinem Schädel sah er wie ein Mönch mit Tonsur aus. An der Howard University hatte er einen exzellenten Abschluss in Geschichte gemacht. Die Regale in seinem Büro waren voller Bücher, die sich mit der Geschichte des
Homo sapiens
seit der Cro-Magnon-Zeit befassten.
Er war einer der angesehensten Mitarbeiter der Behörde.
Seine diplomatischen Fähigkeiten wurden durch praktisches Wissen ergänzt, das er während eines mehrjährigen Aufenthalts im Nahen und Mittleren Osten erworben hatte. Er war Experte für die Politik und Religion dieser Länder, in denen beides häufig eng miteinander verwoben war. Und er sprach Hebräisch und Arabisch.
Evans hatte sich eine Herangehensweise überlegt, mit der er sein Gesicht wahren konnte:
Spott.
Er blies die Wangen auf, als er in Douglas’ Büro trat. »Sie können sich nicht vorstellen, was für ein seltsames Gespräch ich gerade geführt habe.«
Dann fasste er seine Unterredung mit DeVries in groben Zügen zusammen. Douglas hörte aufmerksam zu, während Evans sich alle Mühe gab, sich als Opfer eines Zusammentreffens mit einem verrückten Professor darzustellen. Douglas bat darum, sich die Unterlagen ansehen zu dürfen, die DeVries mitgebracht hatte. Mehrere Minuten lang studierte er die Blätter.
»Mal sehen, ob ich verstanden habe, was Ihr Professor da behauptet«, sagte Douglas, nachdem er die letzte Seite durchgelesen hatte. »Ein Verschlüsselungsexperte von der NSA hat eine geheime Korrespondenz zwischen Thomas Jefferson und Meriwether Lewis dechiffriert. Der Inhalt dieses Textes deutet darauf hin, dass sich die Phönizier in Nordamerika befanden.«
Evans grinste. »Tut mir leid, dass ich mit so etwas Ihre Zeit vergeude. Aber ich dachte mir, dass Sie die Geschichte vielleicht ganz amüsant finden.«
Douglas lachte nicht – er lächelte nicht einmal. Er nahm die Kopie des Grundrisses eines Artischockengartens in die Hand und betrachtete die fremdartigen Schriftzeichen. Dann las er noch einmal die Übersetzung, die Jeffersons gelehrter Freund vor so vielen Jahren angefertigt hatte. Das erste Wort sprach er laut aus.
»
Ophir
«, sagte er.
»Das habe ich auch gesehen. Was bedeutet es?«
»Ophir ist der sagenumwobene Ort, an dem sich König Salomons Goldminen befunden haben sollen.«
»Ich dachte immer, das wäre irgendeine erfundene Geschichte«, erwiderte Evans.
»Vielleicht«, sagte Douglas. »Tatsache ist, dass Salomon zu seinen Lebzeiten große Mengen Gold angehäuft hat. Die Herkunft dieses Reichtums war aber schon immer ein Rätsel.«
»Das würde ja bedeuten, dass Jefferson geglaubt hat, Ophir würde in Nordamerika liegen. Ist das nicht völlig verrückt?«
Douglas antwortete nicht. Er las die zweite Übersetzung.
»
Heilige Reliquie.
«
»Noch verrückter. Was soll das bedeuten?«
»Ich bin mir nicht sicher. Die heiligste Reliquie im Zusammenhang mit Salomon wäre die Bundeslade.«
»Wollen Sie damit sagen, das von Jefferson erwähnte biblische Objekt sei die
Bundeslade?
«
»Nicht zwangsläufig. Es könnte sich genauso gut um König Salomons
Socken
handeln.« Douglas spielte mit einem Kugelschreiber. »O Mann, in Augenblicken wie diesen wünschte ich mir, ich könnte meine Pfeife rauchen.«
»Was ist los, Hank? Ob es nun mit Jefferson zu tun hat oder nicht – wenn es hier um die Bundeslade geht, kann das Ganze doch nur ein Märchen sein. Wahrscheinlich steht kein einziges wahres Wort in diesem Text.«
»Es spielt keine Rolle, ob die Sache wahr ist oder nicht«, sagte Douglas. »Hier geht es ausschließlich um
Symbole
.«
»Das verstehe ich nicht. Wo liegt das Problem?«
»Hier lauern überall Probleme, ganz gleich, von welcher Seite man es betrachtet. Wissen Sie noch, was 1969 am Tempelberg passiert ist? Und noch einmal im Jahre 1982?«
»Klar. Ein religiöser Fanatiker aus Australien hat die Moschee auf dem Tempelberg angezündet, und später wurde eine religiöse Gruppe verhaftet, weil sie das Ding in die Luft sprengen wollte.«
»Was wäre geschehen, wenn sie es geschafft hätten, den Tempelberg zu räumen, um dort den dritten Tempel Salomons wiederaufzubauen?«
»Das hätte bestimmt heftige
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