Höllenstadt
vorbei sein. Da brauchte ich nicht mal Hellseher zu sein.
***
Benson City!
Was soll ich über diese Stadt sagen? Okay, sie war eine Stadt, wenn auch nicht unbedingt von der Größe her. Aber sie lebte von ihrem Bahnhof, der einigen Dutzend Menschen Arbeit bot.
Wer von Osten oder Westen in den Ort hineinfuhr, der blieb auf der ziemlich breiten Main Street. Sie teilte Benson City in zwei Hälften. Rechts und links von ihr reihte sich ein Haus neben das andere. Geschäfte, Bars, Pubs, die meisten aus Holz.
Nur wenige Menschen hielten sich im Freien auf. Und wenn, dann saßen sie unter Verandadächern im Schatten.
Die Bewohner konnten ihre Abstammung nicht verleugnen. Rotblonde Haare überwogen. Hellhäutige Menschen, die es bestimmt schwer hatten, mit der Hitze zu leben. Über Benson City lag der strahlend blaue Himmel mit dem gleißenden Ball im Zentrum. Die Sonne dörrte die Erde regelrecht aus.
Abe war bewußt langsam gefahren, damit ich mir einen ersten Eindruck von Benson City verschaffen konnte. Oft genug hatte ich beim Betreten einer fremden Stadt gespürt, daß etwas nicht stimmte. Man sah es den Gesichtern der Bewohner an, und auch hier konzentrierte ich mich auf die Menschen, aber ich konnte nicht sagen, ob sie fröhlich oder bedrückt waren.
»Was sagst du?« fragte Abe.
Ich hob die Schultern. »Scheint alles normal zu sein.«
»Richtig, John, aber das scheint auch nur so zu sein. Tatsächlich aber lauert hinter der Fassade das Böse.«
»Wie so oft.«
Er nahm eine Hand vom Steuer und wies an mir vorbei nach rechts. Die Reklame der Hamburger-Filiale hatte er bestimmt nicht gemeint, die mit Sonderangeboten warb. Für Abe war ein aus Steinen errichtetes Haus wichtig, vor dessen Fenster zum Schutz vor dem Sonnenlicht Jalousien gezogen waren. Das Haus stand nicht weit von dem Hotel entfernt, in dem Abe für uns Zimmer besorgt hatte.
»Dort finden wir den Sheriff und auch die Verwaltung. Alles unter einem Dach.«
»Wie praktisch.«
»Kann man sagen.«
Parken war vor dem Haus zwar verboten, aber es gab einen Parkplatz im Hof. Abe stellte den Chevy trotzdem vor dem Bau ab, direkt hinter einem Streifenwagen, dessen Antenne im Licht funkelte.
Als er meinen verwunderten Blick bemerkte, sagte er nur: »Ich darf das hier, John. Der hohe Herr hat es mir erlaubt.«
»Du meinst den Sheriff?«
»Wen sonst? O’Brien ist hier die absolute Respektsperson, neben dem Pfarrer natürlich. Allerdings ist sein Ansehen durch die Vorfälle etwas ramponiert worden, und das wiederum ärgert ihn maßlos, wo er doch so stolz auf seine Stadt ist.«
»Bist du mit ihm zurechtgekommen?«
»Relativ gut. Meine Vorfahren sind auch Iren. Das hat er sofort gespannt. Der Name Douglas.«
»Schon klar.«
Wir hatten angehalten und stiegen aus. Einige Zuschauer, die das sahen, fingen an zu grinsen, denn wir parkten genau dort, wo es verboten war, und der Zorn des Sheriffs war sicherlich nicht zu unterschätzen.
»Ich mache mal den Anfang«, sagte Abe und nickte mir zu.
»Aber O’Brien weiß doch, daß du jemanden mitbringst – oder?«
»Klar.«
»Sind deine Freunde auch seine Freunde?«
»Das weiß ich leider nicht.«
Ich wollte mich überraschen lassen.
Im Haus war es kühl. Uns nahm eine kleine Halle auf, in der ich Bilder entdeckte, die als Motive Kampfszenen aus der irischen Geschichte zeigten. Hier war man wirklich stolz auf seine Herkunft.
In einer Loge saß ein Mann, der telefonierte. Er legte den Hörer auf, als er uns sah. Abe Douglas kannte er, und sein Gesicht zeigte ein freundliches Grinsen. »Ach, sieh mal an, Sie sind wieder zurück und haben sogar Besuch mitgebracht. Alle Achtung, hätte ich nicht gedacht, Mr. Douglas.«
»Das hatte ich versprochen.«
»Klar, aber der große Meister hat es Ihnen nicht zugetraut.«
»Pech für ihn. Manchmal irrt eben auch ein Mann wie Sheriff Hugh O’Brien.«
»Das sagen Sie ihm aber nicht zu laut.«
»Hat er schlechte Laune heute?«
Der Portier wiegte den Kopf. »Ich will mal so sagen, Mr. Douglas, die beste hat er nicht.«
»Danke für den Tip.«
Wir gingen auf seine Bürotür zu. »Dieser O’Brien scheint wirklich ein kleiner Fürst zu sein«, bemerkte ich.
»Das ist er auch.«
»Gibt es hier denn Verbrechen?«
Abe lachte fast lautlos. »Nein, so kannst du das nicht bezeichnen. Ein paar Schlägereien, aber das ist es dann auch gewesen. Von irgendwelchen Kapitalverbrechen habe ich noch nie etwas gehört. Ich kann es mir aber auch nicht vorstellen. O’Briens
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