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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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bewaffnet. Wieder betrat ich den Maschinenraum und versuchte, sie von der halbverdeckten Tür zum hinteren Steuerraum abzulenken, wo ich die Besatzung vermutete. Unsere Taschenlampen huschten hierhin und dorthin, und wir bekamen einen kurzen Eindruck von der Technik: Schmieröltanks, Anzeigen, Rohre. Musso und Tall Guy schafften es ein paar Stufen weiter als der Anführer, bevor sie riefen: »Genug!«
    Sogar Piraten haben Angst im Dunkeln. Ich musste grinsen – sie hatten die Gewehre und doch hatten sie Angst.
    Ich führte sie zum Messedeck, und ihre Augen leuchteten, als sie die Melonen sahen. »Möchtet ihr Obst?«, sagte ich. »Bedient euch.« Ich half ihnen, die Arme mit Saftpackungen und Melonenscheiben zu beladen. Ich ging zurück zur Brücke, und als ich die Außenleiter hochkletterte, konnte ich die Somalis zwei Leitern unter mir sehen, wie sie mit ihrer ganzen Beute Probleme hatten. Ich wartete auf sie.
    »Brauchen Sie Hilfe?«, sagte ich zu Musso. Ich hielt ihm die Hand hin. »Darf ich ihr Gewehr tragen?«
    Er lachte.
    Ich nahm ein paar Saftpackungen und das Obst und ging weiter.
    Genau wie beim Anführer hätte ich ihnen jederzeit entwischen können. Aber der Gedanke kam mir nie in den Sinn. Drei meiner Männer waren in unmittelbarer Gefahr. Ich konnte sie nicht den Piraten überlassen. Das würde überhaupt nichts bringen. Abgesehen davon ist es schlicht unmöglich, so etwas zu tun, und der gleiche Mensch wie vorher zu bleiben. Ich wollte mir noch ins Gesicht sehen können – und den Angehörigen der Besatzung –, wenn das Ganze vorbei war, und sagen: »Ich habe als Kapitän meine Pflicht getan.«
    Wie gesagt: Für ein anständiges Gehalt darf man auch anständige Arbeit erwarten.
    Wieder rauf auf die Brücke. Wir traten nacheinander ein, und die Piraten bezogen wieder ihre üblichen Positionen. Mittag war inzwischen vorüber. Die Piraten waren ganz zappelig und erregt. Ihre Hochstimmung aufgrund der Kaperung eines amerikanischen Schiffes verflog allmählich. Sie plapperten unablässig auf Somalisch miteinander, und ihr Tonfall wurde immer schroffer. Eine leichte Panik war mittlerweile zu spüren.
    Ich nahm einen Schluck Wasser, wischte mir dann die Stirn ab und atme ein paar Mal tief durch.
    Der Anführer reichte mir das Telefon. Er rief mir eine Nummer zu. Das glich inzwischen fast einer kaputten Schallplatte: Suchen, Anrufen, Drohen. Aber die Drohungen verloren ihre Wirkung. Nach dem zweiten Ultimatum, als sie angekündigt hatten, sie würden uns in zwei Minuten töten, gaben sie diese Taktik auf.
    Der Anführer hatte aufgehört, auf das Display des Telefons zu schauen. Deshalb tippte ich einfach wahllos Zahlen und drückte den Verbindungsknopf. Das Telefon wählte, dann summte es.
    »Das ist das lausigste Telefon der Welt. Ehrlich, ich wünschte, ich könnte es für euch in Gang bringen.«
    Einer aus der Besatzung ergriff die Gelegenheit, um mit den Piraten ins Gespräch zu kommen. Trotz meines Rates gestern Abend kam er als Erstes auf Religion zu sprechen.
    »Assalaamu alaikum«, sagte er. Er nickte Musso zu.
    Musso starrte ihn nur irritiert an.
    »Ich bin Afrikaner«, sagte er. »Wir sind muslimische Brüder.«
    Die Piraten sahen sich an. Musso brach in ein Gelächter aus.
    Ich versuchte, dem Seemann in die Augen zu sehen. Als Nächstes sagte er ihnen womöglich, sie sollten den christlichen Ungläubigen doch den Kopf abschlagen und ihn nach Somalia zurückbringen.
    Aber den Piraten war es völlig gleichgültig, ob er gar von Mohammed persönlich abstammte. Er war nur ein Bauer in ihrem Spiel.
    Der Anführer schaute mich an. »Wir suchen noch einmal.«
    Darauf hatte ich gewartet.
    »Auf keinen Fall«, sagte ich. »Ich habe die Nase voll vom Suchen.«
    Ich zeigte auf ATM. »Nehmt ihn. Er kann Ihnen zeigen, was immer Sie wollen.«
    Ich wusste, wenn ATM hinausging, bewacht von einem einzigen Piraten, dann könnte er entkommen. Der eine kannte das Schiff, der andere nicht.
    Der Anführer schaute ATM an und schien über das Angebot nachzudenken.
    »Okay«, sagte er. »Wir gehen jetzt.«
    ATM stand auf und kam zu mir rüber. Der Anführer wandte sich den anderen Piraten zu und gab ihnen auf Somalisch einige Befehle.
    Als ATM an mir vorüberging, flüsterte ich ihm zu: »Er ist nicht bewaffnet. Bring ihn zu den anderen.«
    Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, als er vorüberschlüpfte. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er nickte.
    Aber ich spürte, dass sich das Blatt ein wenig gewendet hatte. Jetzt

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