Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
aber jetzt sprach auf einmal einer von ihnen mit einem Kriegsschiff der US Navy. Musso kam zu uns, weil er wissen wollte, was los war. Seine AK klapperte gegen die Seite des Steuerpults, als er sich vorlehnte.
»Wer ist das?«, sagte der Anführer.
Ich zog nur die Augenbrauen hoch.
»Ich habe keine Ahnung. Ich bin hier bei Ihnen.«
Shanes Stimme ertönte aus dem Funkgerät.
»Hier spricht der Erste Offizier. Wiederhole, somalische Piraten an Bord. Sie haben unser Schiff gekapert.«
»Das ist der Erste Offizier?«, sagte der Anführer.
Ich hörte genau hin. »Er klingt tatsächlich so.«
Shane fuhr fort: »Vier Piraten an Bord. Alle bewaffnet. Alle vier in und um die Brücke positioniert…« Und er setzte sein Gerede mit dem Phantomschiff der Navy noch weiter fort.
»Wo ist das andere Funkgerät«, wollte der Anführer wissen. Ich entdeckte echte Angst in seinen Augen. Das Letzte, was Piraten wollen, sind Verhandlungen mit der US Navy. Am liebsten regeln sie alles nur mit den Schiffsreedern. Reeder haben keine lasergelenkten Raketen und Scharfschützen.
»Ich weiß nur von zwei Funkgeräten«, sagte ich. »Beide sind auf der Brücke.«
Der Anführer sah aus, als würde sein Kopf jeden Moment explodieren. Wir machten seine Pläne allesamt zunichte. Die Somalis hatten das Schiff übernommen, aber jetzt hatten wir die Somalis übernommen. Zumindest vorerst.
»Wir machen noch einen Rundgang«, sagte der Anführer.
Ich zuckte die Achseln. »Ganz wie Sie wollen.«
Wieder gingen nur er und ich. Wir gingen zunächst runter auf Deck E, dann bis hinunter auf das Hauptdeck.
Ich lief den dunklen Gang entlang, das Schiff war tot und still wie eine ausgebombte Stadt. Der Leitende Ingenieur hatte die Notstromversorgung abgeschaltet. Wir hatten nur Taschenlampen. Ich sah vor mir, dass die Tür zum Raum mit der Klimaanlage offen stand. Ich führte das Funkgerät an den Mund. »Gut, betreten Klimaanlage. Tür an Steuerbord offen. Ihr müsst sie schließen.«
Wir betraten die Klimaabteilung. Diese riesige Apparatur kühlte das ganze Schiff. Aber die Kompressoren schwiegen jetzt. Vor uns lag der Maschinenraum. Ich wollte da nicht reingehen, wenn es nicht sein musste. Sollte der Leitende Ingenieur aus irgendeinem Grund die Nachricht nicht erhalten haben, dann würden er und sein Assistent dort auf uns warten.
»Betreten Maschinenraum«, sagte ich und trat ein.
Ein toter Maschinenraum ist ein sehr unheimlicher Ort. Eine kleine Rauchwolke schwebte von innen heraus, und rechts brannte eine Glühbirne, aber der Raum lag in fast völliger Dunkelheit. Man konnte das Tropfen des Wassers aus Rohren hören. Man spürte förmlich die Masse des gewaltigen Dieselantriebs vor einem, aber man konnte ihn nicht sehen. Es gibt leere Stille und volle Stille, und hier handelte es sich eindeutig um letztere. Ich hatte das Gefühl, als würde uns jeden Moment jemand überfallen.
Ich ging voran. Sechs Stufen, da rief mich der Anführer.
»Nein, nein, wir sind fertig. Wir gehen.«
Ich drehte mich überrascht um. Der Anführer wirkte verängstigt. Er machte kehrt, und ich folgte ihm nach draußen.
Wir setzten unseren Rundgang fort und steckten die Köpfe in den trockenen Vorratsraum – alles war leer. Unterdessen öffnete ich so viele Türen nach außen wie möglich. »Möchten Sie hier einen Blick nach draußen werfen?«, sagte ich und ließ dann einfach die Tür offen. So hatte die Besatzung die Chance, im Notfall rasch den Standort zu wechseln. Außerdem konnten Rettungskräfte so schneller ins Innere des Schiffes gelangen. Hoffen wir auf das Beste, machen uns aber auf das Schlimmste gefasst, dachte ich.
Aber ich glaubte immer noch nicht, dass jemand kommen würde. Was wir gerade erlebten, war ein absolutes Novum in der Geschichte: US-Schiff von Piraten gekapert. Ich hatte keine Ahnung, ob sich die Navy überhaupt dafür interessieren würde. Ich wusste, dass Kriegsschiffe in der Region standen, aber es gab keine Anweisungen für die Rettung von Handelsschiffen.
Nach meiner Einschätzung waren die einzigen, die uns retten konnten, wir selbst.
Wieder fanden wir niemanden. Ich merkte, dass der Anführer immer ärgerlicher wurde. In jeder Kajüte, die wir öffneten, lagen Kleidungsstücke herum, als wollte sich jemand gerade anziehen, oder ein Becher Orangensaft stand da, als hätte ihn jemand soeben abgestellt. Wir gingen in die Kombüse, und auf dem Schneidebrett lagen ein Messer und ein halbes Dutzend Melonenscheiben, die so
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