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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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aussahen, als hätte jemand sie nur ein paar Minuten zuvor geschnitten. Auf dem Gasherd stand ein Kaffeetopf, Dampf strömte aus dem Ausguss.
    Das erinnerte mich an den berühmten Fall der Mary Celeste, jenes Schiffes, das im Jahr 1872 mitten im Atlantik gefunden wurde. Die Haarbürsten, Stiefel und Hemden der Besatzung waren alle an Ort und Stelle, die Fracht vollständig vorhanden, aber keine Menschenseele an Bord. Das wurde zum wohl berühmtesten Mysterium der Seefahrt, das Geisterschiff, von dem vor der Straße von Gibraltar die ganze achtköpfige Besatzung verschwand. (Ursprünglich wurde Piraterie vermutet, aber seit Jahrzehnten war in der Gegend kein Fall mehr gemeldet worden, und an Bord waren alle Wertgegenstände noch vorhanden und keine Spur von Gewaltanwendung war zu entdecken.) Die Maersk Alabama wirkte genauso verlassen, während wir einen stummen Raum nach dem anderen durchquerten.
    »Wo ist der Leitende Ingenieur?«, fragte der Anführer.
    »Ich habe keine Ahnung«, sagte ich. »Diese Männer sind verrückt. Sie können überall sein.«
    Wir betraten die Kajüte des Bootsmanns. Mir war früher schon aufgefallen, dass die Somalis alle billige Flipflops trugen. Der Bootsmann hatte neben seinem Bett schöne Ledersandalen stehen, und der Anführer starrte sie jetzt an.
    »Gute Schuhe«, sagte er.
    Es klang beinahe, als würde er mich um Erlaubnis bitten.
    »Nur zu!«, sagte ich. »Dem Bootsmann macht das nichts aus. Probieren Sie sie an.«
    Der Anführer kickte seine Flipflops weg und probierte die Sandalen an. Er nickte.
    Die nächste Station war die Messe, in der wir schon bei der ersten Runde gewesen waren. Da stand ein langer Tisch, mit einer Decke darüber. Ich starrte die Decke an. Ich war mir sicher, dass sie beim ersten Mal nicht dagewesen war. Damals ahnte ich nichts, aber Shane sagte mir später, dass er gerade durch das Schiff gestreift war, als er uns kommen hörte. Knapp vor uns huschte er in den Raum. Er hatte die Notfunkbake bei sich, einen kleinen Sender, der Rettungskräften die genaue Position des in Not geratenen Schiffes mitteilt. Er hatte sie aus der Halterung genommen, wodurch die Einheit aktiviert wurde, als wir plötzlich den Gang entlang kamen. In Panik warf er schnell die Decke darüber, flüchtete und suchte nach einem Versteck. Just in diesem Moment befand sich Shane im Nachbarraum, dem Krankenzimmer, unter den Schreibtisch gekauert, an dem Platz, wo normalerweise der Stuhl stand. Wir traten ein, und Shane konnte meine Schuhe sehen, nur knapp einen Meter entfernt.
    Wenn die Piraten ihn in ihre Gewalt gebracht hätten, dann hätten wir einen unserer besten Anführer verloren. Aber ich hörte ihn nicht einmal atmen.
    Wir schauten uns noch ein paar Räume an und gingen dann wieder auf die Brücke.
    Die Besatzung und ich sicherten uns in dieser Phase gegenseitig. Ich warnte sie vor den Bewegungen der Piraten, und sie behielten einen letzten Trumpf in der Hand, indem sie versteckt blieben. Selbst wenn die Piraten einige erschossen, hätten sie nichts gewonnen. Sie hatten es immer noch mit 16 Mann zu tun, versteckt im ganzen Schiff, und diese behielten das Schiff unter ihrer Kontrolle. Das Schiff lag unterdessen antriebslos auf dem Wasser. Es war ein Patt. Aber die Verstärkung der Somalis war um einiges näher als meine.
    Das Schiff wurde zu einem riesigen Backofen. Die Klimaanlage war abgeschaltet, und die Ventilatoren, die frische Luft durch die Räume wirbelten, waren außer Betrieb. Die Hitze wurde unerträglich, selbst wenn hier und da eine Brise aufkam. Ich malte mir lieber nicht aus, wie die Männer im hinteren Steuerraum litten. Wie lange hielten sie es aus ohne frisches Wasser und Luft?
    Die Panik, die ich gespürt hatte, als der erste Pirat an Bord ging, war nicht verflogen. Aber ich war viel zu beschäftigt, um Angst zu haben. In mancher Hinsicht waren ATM, Colin und der dritte Seemann schlechter dran. Sie mussten auf dem Deck sitzen und sich vorstellen, was mit ihnen passieren würde. Ich dachte unablässig darüber nach, wie ich uns lebend aus diesem Schlamassel befreien konnte.
    Wir stiegen wieder auf die Brücke, wo in der Mittagshitze eine unerträgliche Schwüle herrschte. Die Piraten wurden nervös. Warum konnten sie die Besatzung nicht finden? Ich zuckte nur die Achseln. »Ich habe keine Ahnung, wo sie sind«, sagte ich ihnen immer wieder. »Ich bin hier bei euch.«
    Der Anführer wollte noch einen Rundgang. Diesmal begleiteten mich Musso und Tall Guy, beide

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