Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
waren wir drauf und dran, eine Geisel zu nehmen.
ELF
Tag 1, 11.00 Uhr
»Wir haben die Absicht, unsere Kameraden zu unterstützen. Sie haben uns mitgeteilt, dass sich ihnen ein Schiff der Navy nähert.«
Abdi Garad, ein Piratenkommandeur, aus dem somalischen Hafen Eyl, Agence France Presse, 8. April 2008
A TM und der Anführer gingen. Die Alarmsirenen begannen wieder zu heulen, und in meinem Kopf wünschte ich, dass es ATM irgendwie gelänge, den Piraten auszutricksen und sich an einem sicheren Ort zu verstecken. Die übrigen Somalis wechselten sich mit dem Absuchen des Horizonts und unserer Bewachung ab.
Meine Rundgänge mit dem Anführer hatten etwa zwanzig Minuten gedauert. Fünfzehn Minuten nach dem Abgang von ATM und dem Anführer meldete sich mein Funkgerät: »Achtung, Piraten, Acht…«
Ich schnappte es und stellte die Lautstärke leise. Dann drehte ich mich um und schaute achteraus. Ich hörte Mike Perry ins Funkgerät sprechen. Im Lärm der Alarmsirenen und ihres Geschreis hatten die Piraten nichts gemerkt. Ich hielt das Funkgerät näher ans Ohr.
»…ein Pirat. Wiederhole. Wir haben euren Kumpel. Wir tauschen ihn gegen den Captain aus.«
Ich packte das Funkgerät und grinste. Oh Mann, wir hatten es geschafft. Aber zum Feiern war es noch viel zu früh. Ich schaltete die Sirenen wieder ab. Ich wollte noch keine Konfrontation. Ich wollte die Sache langsam angehen.
Nach 30 Minuten wurden die Piraten allmählich nervös.
Tall Guy kam in die Brücke und richtete sein Sturmgewehr auf mich. »He, wo ist er? Wo ist der Mann?«
»Ich habe keine Ahnung«, sagte ich. »Ich bin hier bei euch.«
»Ruf den Mann«, sagte er.
Ich zeigte auf das Funkgerät. »Viele Interferenzen. Zu viel Metall auf diesem Schiff.«
Er runzelte die Stirn, ging aber wieder auf die Nock hinaus.
Fünfzehn Minuten vergingen, dann dreißig. Ich sah, wie die Piraten sich gegenseitig anschauten, und hörte, dass sie auf Somalisch Fragen stellten. Tall Guy rief mir zu: »Wo bleiben sie?«
»Das wüsste ich selbst gern«, sagte ich. »Ihr müsst jemanden losschicken, der nachsehen soll.«
Musso überlegte.
»Okay, du gehst.«
»Ich habe keine Lust mehr herumzulaufen. Warum schickt ihr nicht den großen da?«, sagte ich und zeigte auf Colin.
Musso nickte.
»Okay, Großer, du gehst runter und holst sie.«
Ich lächelte. Mit zwei Seemännern in ihrer Gewalt hielten die Piraten es offensichtlich für ungefährlich, Colin allein nach der Besatzung suchen zu lassen. Ich war meinem Ziel, die Brücke von allen außer mir und den Piraten zu räumen, schon ganz nahe.
Die Piraten beobachteten uns so genau, dass ich Colin nichts zuflüstern konnte, als er allein die Brücke verließ. Ich hoffte einfach, dass er so vernünftig war, sich auf dem Schiff zu verstecken.
Nachdem ein Mann weniger auf der Brücke war, fühlte ich mich erleichtert. Es war, als würde mir nach und nach die Last abgenommen.
Ich schaute auf das Heckschott, wo sich eine sogenannte Anzeige wasserdichter Türen befindet, die genau angibt, welche wasserdichten Türen und Schotts offen und welche geschlossen sind. So weiß man sofort, welche Teile des Schiffs von eindringendem Wasser abgeschottet sind. Aber die Anzeige hatte noch einen anderen Nutzen. Indem ich beobachtete, wie die Türanzeigen von Rot (geschlossen) auf Grün (offen) und dann wieder Rot wechselten, konnte ich ablesen, welche Türen Colin gerade öffnete, passierte und hinter sich wieder schloss. Jedes Mal wenn er eine Tür öffnete, meldete sich die Anzeige mit einem leisen Klick und wechselte die Farbe.
Wohin geht er?, fragte ich mich. Auf einem Schiff wie der Maersk Alabama gibt es viele Orte, wo man sich verstecken kann und kein Mensch einen findet. Ich hatte schon Tage lang blinde Passagiere an Bord von Containerschiffen, und die Besatzung hat nie etwas davon erfahren. Ich hoffte einfach, Colin würde das richtige Versteck finden. Ich nahm an, dass er direkt zum hinteren Steuerraum gehen würde, aber dann fiel mir ein, dass er von dem zweiten Schutzraum gar nichts wusste – er war während der Besprechung bei der Übung auf der Brücke gewesen.
Klick. Jetzt war er im ersten Schlupfloch. Klick. Jetzt war er im Hauptgang. Colin ging ins Schiffsinnere, weg von den Kajüten der Besatzung. Klick. Er betrat den Notfeuerspritzenraum. Das war ein winziges Kabuff, das selten genutzt wurde und noch schwerer zu finden war.
Ich beobachtete den Schirm. Kein Licht wechselte auf Grün. Er hatte sein
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