Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)
im Esszimmer neben der Küche, als ihre Freundinnen in der Küche anfingen, ihre Sachen neu zu arrangieren – Geschirr, Teekanne… Alles stand plötzlich nicht mehr da, wo es hingehörte. Page und Amber hatten Andreas Rolle als Hausfrau übernommen, obwohl sie wussten, wie sehr Andrea es hasste, nicht mal mehr Herrin in ihrer eigenen Küche zu sein. Paige warf ihr einen Blick zu: »Das kannst du kaum ertragen, stimmt’s?«
»Was?«
»Dass wir in deiner Küche herumwerkeln.«
Sie verstellten die Sachen in der Küche absichtlich, um Andrea ein wenig zu nerven. Diese Ablenkung war genau das, was Andrea in diesen Stunden brauchte. Wenn man eine Frau wie Andrea behandelt, als würde ihr Mann jeden Augenblick sterben, tut man ihr ganz bestimmt keinen Gefallen. Ein bisschen Humor ist da viel hilfreicher.
An diesem Freitag traf dann endlich professionelle Unterstützung ein. Maersk schickte zwei Vertreter, Jonathan und Alison, die sich um die Medien kümmern sollten. Das rettete Andrea gewissermaßen das Leben. Trotzdem begrüßte sie Jonathan mit einer sarkastischen Bemerkung, kaum dass er durch die Tür war, und sie war nur halb scherzhaft gemeint: »Sie haben doch Ihr Schiff zurückbekommen? Interessiert es Sie wirklich noch, was aus meinem Mann wird?« Jonathan muss gedacht haben, Oookay, das fängt ja gut an . Aber Andrea war eben enorm gestresst und überempfindlich.
Weder Jonathan noch Alison hatten sich die Situation vorstellen können, die sie im Haus vorfinden würden – ob das Haus voller wütender Vermont-Hinterwäldler sein würde oder eher voller hysterischer Leute. Überrascht stellten sie fest, dass eine warme Atmosphäre voller Mitgefühl herrschte. Jonathan war ein bodenständiger, sachlicher Bursche, während Alison zur neuen besten Freundin meiner Frau wurde. Alison wurde sofort vom Clan akzeptiert und konnte gut nachempfinden, was Andrea durchmachte. Und sehr hilfreich war auch, dass Jonathan und Alison die Dinge so sahen, wie sie waren. Sie erklärten der Familie: »Okay, wir machen das so: Erst einmal schalten wir den Fernseher aus. Wir haben ein Flipchart mitgebracht. Auf diesem großen Papier werden wir nur Informationen notieren, die als gesichert gelten und bestätigt wurden. Wir werden jemanden ans Telefon setzen, der alle Anrufe entgegennimmt und nur Anrufe zu Andrea durchstellt, die wirklich wichtig sind.« Alison montierte ein Schwarzes Brett; bei jeder neuen Angelegenheit hängte sie daran Informationen aus, wie das Team damit umgehen solle.
Emotional war es sehr schwierig, dem Drang zu widerstehen, ständig die Nachrichten im Fernsehen zu verfolgen. Zwar brachten sie immer wieder dieselben Meldungen, aber ohne den Durchbruch, auf den Andrea hoffte. Wenn sie mein Bild in den Nachrichten sah, gab es ihr einen Stich ins Herz. Deshalb schaltete Alison den Fernseher aus. Von diesem Augenblick an erhielt die Familie die Informationen nur noch vom Außenministerium, vom Verteidigungsministerium oder von Maersk. Andrea blieb die emotionale Achterbahn erspart, immer auf die nächste Meldung im Fernsehen warten zu müssen. Sämtliche Telefonanrufe wurden vorsortiert. Wenn ihr der Name eines Anrufenden genannt wurde, brauchte sie nur zu sagen, »Ja, den nehme ich entgegen« oder »Ich bin im Moment nicht erreichbar.«
An diesem Tag gab es auch ein paar kleine Episoden, die ein bisschen unheimlich wirkten. Am Nachmittag wurde Andrea von meinem Optiker angerufen, der ihr erklärte: »Ich habe gehört, Richard ist vom Boot gesprungen. Ich bin ziemlich sicher, dass er dabei seine Brille verloren hat. Ich habe gerade eine neue Brille für ihn gemacht und schicke sie Ihnen.« Mit all dem Kommen und Gehen im Haus war schließlich irgendwann auch die Toilette verstopft. Mein Nachbar Mike kam herüber und nahm alles auseinander, bis er schließlich die Ursache für die Verstopfung des Abwasserrohrs entdeckte: eine Brille. Meine Schwester Nancy rief: »Oh mein Gott, das ist bestimmt Richards Brille.« Alle brachen in Gelächter aus. Nur ein paar Stunden zuvor war ich vom Rettungsboot gesprungen und hatte dabei meine Brille verloren. Es war, als sei sie irgendwie um die Welt gereist und im Abwasserrohr meines Hauses stecken geblieben.
Andrea konnte mir über das Außenministerium eine Nachricht schicken: »Die ganze Bande ist hier und drückt Dir die Daumen. Wir lieben Dich.« »Die Bande« war unser Spitzname für den Kreis unserer Verwandten und Freunde. Andrea wusste, dass ich bei dieser Nachricht
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