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Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition)

Titel: Höllentage auf See: In den Händen von somalischen Piraten - gerettet von Navy Seals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Captain Richard Phillips , Stephan Talty
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rissen sie plötzlich wieder an meinen Handgelenken. Oder sie versuchten, mich zum Lachen zu bringen, um mich abzulenken.
    Dazwischen mussten sie sich immer wieder ausruhen. Musso schaute mich erstaunt an.
    »Wie heißt dein Stamm?«, fragte er.
    »Was meinst du mit ›Stamm‹?«
    Er lachte, als wollte er sagen: Wie kann jemand nicht wissen, wie der eigene Stamm heißt?
    Ich rang immer noch nach Atem. Willst du wirklich jetzt reden? Ich wollte alles tun, um ihn von Mordgedanken abzulenken.
    »Das habe ich dir doch schon erklärt – ich bin Amerikaner.«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Nein, das ist deine Nationalität. Wie heißt dein Stamm ?«
    »Ich bin Ire.«
    »Ah, ein Ire«, sagte er.
    Und schüttelte wieder den Kopf.
    »Iren machen Probleme. Iren sind richtige Nervensägen.«
    Ich nickte. »Das hast du ganz richtig erkannt.«
    Er nickte auch. Dann änderte sich plötzlich etwas in seinem Blick. Er riss meine gefesselten Hände mit einem heftigen Ruck in die Höhe. Ich stöhnte auf und zerrte meine Hände wieder herunter.
    Dann, urplötzlich, BUMMM! Vor meinen Augen blitzten weiße Sterne; mein Kopf wurde brutal nach vorn gestoßen.
    Im ersten Moment dachte ich, ich sei tot. Aber das war ich nicht. Blut tropfte über die Hände und auf die Fesseln. Musso wich zurück.
    »Tu es nicht!«, schrie er.
    Tall Guy tauchte von hinten auf, die Pistole in der Hand. Er ließ Kopf und Schultern hängen, ein einziges Bild der Verzweiflung. Musso beschimpfte mich, während Tall Guy zum vorderen Teil des Boots ging und sich dort auf einen Sitz fallen ließ.
    Was war los?, fragte ich mich. Hatte er auf mich geschossen, aber nicht getroffen? Oder hat er mir nur einfach einen Schlag mit dem Pistolengriff versetzt? Ich hatte keine Ahnung. Das Gefühl war so viel stärker gewesen als bei früheren Schlägen mit dem Griff. Er musste die Knarre abgefeuert haben.
    Der Anführer mischte sich ein. »Keine Aktion, keine Aktion! In drei Stunden binden wir dich los.«
    Ich war heilfroh, überhaupt noch am Leben zu sein. Aber ich war auch stocksauer.
    »Was habt ihr gemacht?«, brüllte ich den Anführer an.
    »Klappe halten.«
    »Wolltet ihr mich umbringen?«
    Der Anführer wandte sich ab und spuckte auf den Boden.
    »Klappe halten.«
    »Du willst wohl sagen: ›Bitte seien Sie still, Captain.‹«
    Musso musste kichern. Sogar der Anführer musste kurz grinsen. Das erste und letzte Mal, dass ich ihn dazu brachte.
    »Iren immer machen Probleme«, sagte Musso. »Yeah. Du auch, nichts als Probleme.«
    Ich hatte immer noch keine Ahnung, ob sie mich wirklich hatten töten wollen oder ob es eine vorgetäuschte Hinrichtung gewesen war. Wenn es nur ein Psychospielchen hatte sein sollen, war es jedenfalls verdammt realistisch inszeniert. Mein Schädel dröhnte immer noch, und Blut rann mir über das Gesicht. Aber warum machten sie diese Spielchen mit mir? Ich hatte doch keinerlei Einfluss auf die Lösegeldverhandlungen! Und warum sah Tall Guy so aus, als habe er bei etwas sehr Wichtigem total versagt? Nichts ergab einen Sinn.
    Ich beschloss, mich vorzubereiten, für den Fall, dass sie es nochmal versuchten.
    Ich begann mich von meiner Familie zu verabschieden. Rief mir Andreas Gesicht vor Augen und redete mit ihr, als säßen wir an unserem Esstisch im Farmhaus in Vermont. Ich konnte mir alle Einzelheiten vorstellen – den Blick durchs Fenster hinaus in den Garten, der sich bis zu einer Wiese mit hohem Gras erstreckt, die weiter hinten an einen mit Fichten bewachsenen Hügel grenzt.
    »Ange«, sagte ich, »tut mir leid, dass du diesen Anruf bekommst. Ein Anruf morgens um vier, bei dem du schon weißt, was sie dir sagen werden, bevor sie auch nur ein Wort gesagt haben.« Ich stellte mir vor, wie sie den Anruf entgegen nahm, voller Angst, so dass mir Tränen in die Augen traten. Ich hätte ihr diesen Schmerz gern erspart, aber das stand nicht in meiner Macht. Ich sagte: »Ich liebe dich. Ich weiß, du wirst ein paar Tage lang weinen, aber irgendwann geht auch das vorbei, dann geht es dir wieder besser.« Andrea war eine starke Person. Ich war überzeugt, dass sie es durchstehen würde. Irgendwann würde sie es hinter sich lassen, in einem Monat oder in drei Monaten.
    Dann dachte ich an Mariah. Sie ist wie ihre Mutter, so emotional wie eine italienische Oper, aber tief im Innern stark und selbstbewusst. »Bleib so«, sagte ich, »bleib stark, denn ich werde dich immer lieben.« Mir war klar, dass sie viel länger weinen und viel tiefer betroffen sein

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